Emilia - Herzbeben
allein und ließen sie vollkommen außen vor. Erst, als sie sich geschlagen gab, weil sie ja doch nichts dagegen unternehmen konnte, bezogen sie sie mit ein. Kurz darauf legten sie an und teilten sich auf. Alva ging mit der Gruppe, die sich schon jetzt auf den Weg zum Schloss machte, die andere Gruppe, darunter waren Sylvia und Soraya und ihr Bruder, fuhr mit dem Bus zu Nouel, der an einem Hang in einer alten Hütte lebte. Die Fahrt dauerte nicht lange. Es war nur ein kleiner Ort, durch den sie hindurch fahren mussten. Danach brauchten sie nur noch einen Hügel hinauf zu laufen, was sich in der Dunkelheit etwas schwierig gestaltete, da es hier keine Laternen gab. Doch sie beleuchteten den Weg ein wenig mit ihren Handys und sahen bereits ein leuchtendes Fenster oben auf dem Hügel. Als sie das alte, teilweise zusammengefallene Haus erreichten, klopfte Tatum kräftig an die Tür. Doch es öffnete niemand. Sie sahen sich ratlos an und dann hämmerte Sylvia ungeduldig mit der Faust gegen die Tür. Und sie hämmerte so lange, bis sie jemand von innen aufriss und ihr eine Schrotflinte entgegen streckte. Sie schrien alle vor Schreck auf und hoben reflexartig die Hände. Der Mann stand im Pyjama vor ihnen. Sein weißes Haar war zerzaust und stand in alle Himmelsrichtungen ab. Auf seiner Nase saß eine kleine Lesebrille, durch die er mit erhobenem Kopf seine nächtlichen Besucher skeptisch beäugte.Dann sprach er etwas auf Französisch, das zwar wütend, aber auch überrascht klang.
»Ich kann kein Französisch«, merkte Tatum an und drehte sich halb zu den anderen um. »Weiß jemand, was er gesagt hat?«
»Mondieu!«, wiederholte der Mann. »Es steht eine Horde Kinder vor meinem Haus! Mitten in der Nacht!«, sagte er mit einem starken französischen Akzent. » Warum zum Teufel?«
»Genau wegen dem«, sagte Sylvia. »Alva schickt uns. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
Er nahm sofort die Schrotflinte runter. »Alva«, sagte er andächtig. »Ihr kommt wegen des Mädchens, das vor ihm versteckt werden soll, oui?«
Sie nickten alle und dann bat er sie sofort herein. »Aber nichts anfassen!«, rief er warnend. »Und nichts klauen! Ich sehe alles!« Er ging voraus, lief schlaksig durch sein kleines Wohnzimmer und zog ein Buch aus einem sehr unordentlichen und überfüllten Bücherregal. Dabei fielen ihm ein paar Blätter auf den Boden, die er einfach liegen ließ. Er schlug das Buch auf, zog einen Schlüssel heraus und ging dann an ihnen vorbei in seinen sehr engen Flur. Dort öffnete er die Kellertür. »Also«, rief er dann und drehte sich wieder zu ihnen um, »wo ist das Mädchen?«
Sylvia und Soraya tauschten einen Blick und sagten ihm dann, dass sie nicht hier sei. »Aber«, entgegnete Nouel überrascht, »hat euch Alva nicht gesagt, dass ich sie hierfür brauche?«
» Er hat sie«, sagte Tatum und hielt ihm Mias Rucksack hin. »Das sind ihre persönlichen Sachen. Sie müssen es damit versuchen.«
Nouel sah den Jungen fragwürdig an und hob die Augenbrauen so hoch, dass sich seine Stirn in tiefe Falten legte. » Er hat sie?«, fragte er langsam.
Sie nickten.
»Aber«, er hob die Arme, »wenn er sie schon hat, nützt ihr diese Tarnung überhaupt nichts.«
Sylvia wurde ungeduldig. »Tun Sie's trotzdem! Wir bringen ihr die Tarnung.«
Auf einmal lachte er so lauthals los, dass sie alle mit den Köpfen zurückwichen. »Das ist ein Scherz, nicht wahr? Ein Spiel oder … wie sagt man? Ein Theaterstück!« Er klatschte erfreut in die Hände.»Die Freunde des entführten Mädchens kommen, um sie aus den Fängen des Teufels zu befreien. Oh, wie wunderbar!«
Sie sahen sich alle verstört an. »Der Typ hat sie nicht alle«, sagte einer von hinten. »Das ist kein Scherz«, versicherte ihm Tatum mit einem todernsten Blick und drückte ihm den Rucksack in die Hände. »Machen Sie diese Tarnung. Den Rest überlassen Sie uns.«
Nouel nahm den Rucksack an sich. »Ihr meint das wirklich ernst?!« Als seine Worte mit entschlossenen Blicken erwidert wurden, zuckte er mit den Schultern, seufzte und sagte: »Nun, es war schön, dass ich euch kennenlernen durfte. Ihr werdet nicht mehr lange leben.« Dann zog er die Tür ganz auf. »Es können nur zwei von euch mit hinunter kommen. Die anderen warten bitte oben.«
Es waren Sylvia und Soraya, die ihn in den Keller begleiteten. Doch es stellte sich heraus, dass dieser Keller eine zweite und viel größere, unterirdische Wohnung war. Es war fast genauso eingerichtet, wie das kleine Haus über
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