Emilia - Herzbeben
Mischung aus Honig und Seide. Es lag in großen Wellen auf seinen Schultern und auf seiner Brust, als habe der Himmel einen Topf Gold über sein Haupt gegossen, das nun über sein samtenes, dunkelrotes Jackett lief. Er zupfte sich gerade die gekräuselten Enden seiner weißen Seidenbluse aus den Ärmeln und sah Mia dabei an. Er war größer als die anderen, viel größer, was wohl unter Anderem daran lag, dass die Männer in schwarz mit verneigten Köpfen dastanden und einen gewissen Abstand zu ihm wahrten. Doch es war nicht nur seine körperliche Größe, die ihn alles überragen ließ. Sondern die Größe, die er ausstrahlte. Sein erhobener Kopf und sein selbstbewusster Gesichtsausdruck trug seinen Teil zu dieser Ausstrahlung bei. Was Mia jedoch am meisten an seinen Anblick fesselte, war sein schönes Gesicht. Seit ihre Augen seine Porzellanhaut, seine schönen Züge, die perfekten Lippen und diese atemberaubenden, großen, schwarzen Augen erfasst hatten, konnte sie sich nicht mehr davon lösen. Er sah aus wie ein Engel! Der schönste Engel von allen! Es hätte sie nicht gewundert, wenn sich hinter seinem Rücken Flügel ausgebreitet und die gesamte Weite der Halle eingenommen hätten.
»Lasst uns allein«, sagte er zu seinen schwarzen Mänteln und als sie gingen, erhellte sich der Raum noch mehr. Die ganze Zeit ließ er Mia nicht aus den Augen. Er sah sie mit einem emotionslosen, kalten Gesichtsausdruck an, betrachtete manchmal unmerklich ihr Gesicht, ihre Statur, ihr Haar, um dann wieder ihre Augen zu fixieren, ohne je eine Miene zu verziehen. Als die Tür zu fiel und man keine Geräusche mehr hörte, kam er langsam auf sie zu. Sein Gang war geschmeidig. Fast so, als habe er keine Knochen in seinem Körper. Weich und flüssig. Und dabei war jede Bewegung von ihm und jede Haarsträhne, die dabei über seinen Körper strich, wie eine Offenbarung. Als er direkt vor ihr stand, betrachtete er noch einmal ihr Gesicht und sagte dann: »Mia« Bei ihm klang ihr Name wie eine giftige Süßigkeit, erst verführerisch und dann gequält, wodurch sich jetzt tatsächlich so etwas wie einAusdruck in seinem Gesicht regte. Er war überrascht. Oder war er erschrocken? Sie konnte es nicht genau sagen. Es bildete sich nicht eine einzige Falte in seiner perfekten, weißen Haut, nicht einmal, als er die hellen Augenbrauen zusammenzog. »Es ist erstaunlich«, sagte er dann mit samtener Stimme. »Ich hätte es niemals geglaubt, aber diese Ähnlichkeit …«, seine Augen wanderten langsam über ihr Gesicht und seine Hand berührte ihr Kinn, um es anzuheben, »und dieses Gefühl sprechen deutliche Worte. Er hatte recht. Der Schatten, der dich gefunden hat.« Er ließ sie wieder los und sah ihr tief in die Augen. »Unglücklicherweise wurde er, gleich nachdem er seine Informationen an mich weitergeleitet hat, vernichtet.« Auf einmal sah er wütend aus, was in seinem schönen Gesicht wirklich erschreckend wirkte. »Dazu ist außer mir nur ein Wesen auf diesem Planeten in der Lage. Ihr Name ist Emilia.«
Mia erschrak und riss die Augen auf. Was sagte er da?
Er legte nun den Kopf etwas schräg und betrachtete ihre Reaktion prüfend. »Ich sehe schon«, raunte er. »Du weißt nicht viel über deine Familie.« Dann atmete er tief ein, seufzte und reichte ihr die Hand. »Fangen wir bei den üblichen, banalen Höflichkeitsfloskeln an«, sagte er. »Mein Name ist Angor.«
Mia fuhr bei diesem Namen ein Schrecken durch den Leib, obwohl sie schon die ganze Zeit geahnt hatte, wer er war. Doch sie konnte es sich nicht vorstellen. Das sollte der Teufel sein? Der Schrecken der Welt? Das finsterste und mächtigste Wesen des Planeten? Er war so sanft! So vorsichtig und in jeder Hinsicht verführerisch. Sogar sein Duft war betörend. Er war viel zu schön, um so böse zu sein!Und außerdem fühlte sie sich in seiner Gegenwart viel zu wohl. Sie wehrte sich dagegen und versuchte das Gefühl der Wärme zu unterdrücken, als er ihre Hand sanft schüttelte, doch es war zu stark. Es überrollte sie wie ein Tsunami und sie hatte keine Chance ihm standzuhalten. Sie versuchte dennoch ihm diese Gefühle nicht zu zeigen, biss die Zähne zusammen und sah ihn wütend an.
»Ich habe drei Fragen«, sagte er jetzt ruhig. »Und du beantwortest sie besser ehrlich. Erstens«, seine Augen funkelten sie drohend an, »wer hat dir beigebracht, wie man seine Gedanken vor jemandem verschließt?«
Mia begegnete seinem Blick voller Verwunderung. Hieß das, dass er ihre Gedanken
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