Emilia - Herzbeben
die Stirn fiel, sah er aus wie ein Engel. Vielleicht waren sie alle Engel, dachte Mia. Nadja hatte ihr gesagt, dass es in ihrer aller Natur lag, nett zu sein. Und sie hatten sie von Anfang an ebenso behandelt. Obwohl sie jedes Mal ihre dunkle Aura gespürt haben mussten. Ja, sie mussten Engel sein. Sie verkörperten das Gute, das sie nicht hatte. Und sie wollte so gern ein Teil von ihnen sein. Ein Teil von dieser Armee von Engeln. Sie wollte gut sein, so wie sie alle. So, wie er. Sie wollte diese böse Seite in sich nicht. Und während sie ihn beobachtete und ausgiebig betrachtete, schwor sie sich, dass sie einen Weg finden würde, diese dunkle Seite in sich zu löschen. Die Tarnung ihrer Energie war der erste Schritt. Schließlich hatte sich ihr Vater auch von der dunklen Seite abgewendet. Sie würde es ihm gleichtun. Und sich von nun an nur noch dem Guten zuwenden, gute Gedanken haben, gute Gefühle. Sie wollte keinen Hass mehr fühlen oder Wut und Angst. Sie wollte Liebe fühlen und Freundschaft. Von jetzt an wollte sie ein guter Mensch sein. Und sie würde alle damit verblüffen, dass sich die Tochter des Teufels nicht in einen Vampir oder etwasÄhnliches verwandelte, sondern in einen Engel. Einen Engel der Gerechtigkeit. Sie wollte ihre Freunde ebenso beschützen, wie sie sie beschützten. Sie wollte Gutes tun, so wie sie. Freundlich sein und liebenswert. Bei diesen Gedanken spürte sie einen solchen Enthusiasmus, dass sie in sich hinein lächelte, als sie an die Scheibe gelehnt ebenfalls langsam einschlief. Sie träumte davon, wie sie mit ihren Freunden die Welt rettete. Wie sie durch die Straßen zogen und wie Helden aus Zeichentrickfilmen den Menschen halfen. Sie waren die Engel, die diese Welt brauchte. Sie kämpften gegen das Böse, besiegten Angor und brachten Frieden über die Welt. Sie waren die Armee der Liebe. Mächtig und stark und angetrieben von ihren guten Herzen. Sie fühlte sich so wohl in dieser Rolle, dass sie gar nicht aufwachen wollte. Selbst, als ein bekannter Schmerz durch ihre Knochen zog, ließ sie die Augen geschlossen und träumte weiter. Doch der Schmerz wurde immer stärker. Ihr Blut begann zu kochen, ihre Haut wurde heiß und ihre Muskeln zitterten. Irgendwann riss sie die Augen schließlich doch stöhnend auf und hielt sich am Türgriff fest. Sie biss die Zähne zusammen, um nicht zu schreien.
Ramon drehte sich zu ihr um und fuhr sofort auf den Seitenstreifen, um anzuhalten. Als er den Wagen zum Stehen gebracht hatte, lehnte er sich über den Beifahrersitz und stieß die Tür auf. »Mia, komm nach vorne! Schnell!«
Sie löste ihren Gurt, wobei ihr die Finger höllisch weh taten, öffnete die Tür und stolperte hinaus. Sie bemerkte nicht, dass Jona wach wurde, als sie die Tür wieder zu schlug. Sie ging gekrümmt nach vorne, stieg ein, schloss die Tür und versuchte tief durchzuatmen. Sie zitterte am ganzen Leib. Als Ramon wieder los fuhr, nahm er ihre Hand und hielt sie ganz fest. Mia seufzte auf, als sich das Feuer in ihr löschte und legte den Kopf nach hinten. Ihr Körper kühlte sich von ihrer Hand aufsteigend ab und der Schmerz ließ nach. Sie rutschte erleichtert in ihrem Sitz hinunter und sah Ramon an. »Warum ist das so?«, fragte sie ihn.
Ramon schmunzelte. Er sah jetzt wieder viel entspannter aus und seine Augen hatten auch wieder ihre gewöhnliche Farbe. »Vielleicht ist das eine meiner Übervampir-Fähigkeiten«, sagte er scherzend.
Mia lachte. »Was es auch ist«, sagte sie erschöpft, »ich bin froh, dass du da bist.«
Daraufhin sah Ramon sie lange an und streichelte ihr mit dem Daumen über den Handrücken. Mia legte ihren Kopf gegen das Fenster und schloss die Augen. Ihr war noch etwas schummerig. Und dieses Gefühl verschwand leider nicht, wie die Schmerzen und die Hitze in ihrem Körper. Sie fühlte sich geschwächt. Als habe sie tagelang nichts gegessen. »Du brauchst Blut«, sagte Ramon irgendwann. Mia drehte wütend den Kopf zu ihm um und wollte ihm ihre Hand entziehen, doch er hielt sie fest. »Werd nicht gleich wieder sauer«, sagte er. »Nur, weil du Blut für deine Verwandlung brauchst, macht dich das nicht zu etwas Bösem. Es ist dein Körper, der es braucht, nicht dein Geist, verstehst du? Du kannst sein, was immer du sein willst, aber du musst deinem Körper geben, was er braucht, sonst schadest du dir damit!«
Mia wurde immer wütender. Anscheinend hatte er wieder ihre Gedanken belauscht. »Es ist mir egal, was mein Körper haben will! Ich schaffe
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