Emily, allein
durchgegangen seid, solltet ihr euch einigen, wie ihr die Sache anpacken wollt. Justin und Sam sind inzwischen volljährig, damit ist die ganze Treuhandangelegenheit hinfällig, alles andere ist nahezu unverändert. Die Sache ist ziemlich einfach. Am wichtigsten ist, dass ihr innerhalb von neunzig Tagen die Hälfte der Erbschaftssteuer bezahlt, dann gibt euch der Staat einen Rabatt.»
«Okay.»
«Im Moment liegt die Gesamtsumme unter der staatlich festgelegten Grenze. Aber das kann sich nächstes Jahr ändern, je nachdem, wie der Kongress entscheidet, das solltet ihr noch mal von eurem Steuerberater oder von Gordon überprüfen lassen. Mit Gordon werdet ihr euch zusammensetzen, wenn es so weit ist. Er wird sowieso aus dem Nachlass bezahlt, also nutzt das aus.»
«Seine Karte ist bei den Papieren?»
«Hier. Und das ist eine Vollmacht, die habe ich ausstellen lassen, damit ihr für mich entscheiden könnt, falls ich entmündigt werde. Ich habe auch verlangt, dass keine außergewöhnlichen Maßnahmen ergriffen werden. Nach allem, was mit Louise passiert ist, soll das zweifelsfrei geklärt sein. Das bleibt ganz allein meine Entscheidung. Das versteht ihr hoffentlich.»
«Natürlich.»
Sie redete weiter und hielt immer wieder inne, um Margaret auf diesen oder jenen wichtigen Punkt hinzuweisen. Emily selbst hätte Fragen gestellt und sich Notizen gemacht, doch Margaret unterbrach sie nicht, sondern nickte bloß, als wollte sie sich mit einem Urteil zurückhalten, bevor sie nicht das Ganze verstanden hatte. Emily fasste die einzelnen Teile zusammen und reichte ihr alles über die Schreibunterlage hinweg - Gordons Begleitbrief, das Testament und dann die eindrucksvollen Zusatzdokumente.
«Falls du den Wagen haben willst, musst du seinen Wert fair bemessen und den Betrag von deinem Anteil abziehen.»
Wenn man den Zustand ihres Kleinbusses bedachte, war das sinnvoll, doch Margaret ließ das Angebot ungerührt über sich ergehen. Genauso wenig meldete sie bei Möbeln und Geschirr irgendwelche Wünsche an, als könnte all das bis zu einem anderen Zeitpunkt warten.
«Das dürfte alles sein», sagte Emily. «Es sei denn, du hast noch Fragen?»
«Im Moment nicht.»
«Danke, Liebes. Tut mir leid, dass wir das heute besprechen mussten, aber es musste dringend erledigt werden.»
«Ich weiß», sagte Margaret. «Danke. Es ist bloß ein bisschen viel auf einmal.»
«Betrachte es als Belohnung dafür, dass du es die ganzen Jahre mit mir aushalten musstest.»
«Reiß keine Witze.»
«Tut mir leid.» Das hatte sie nicht gewollt, es war ihr einfach so rausgerutscht.
«Du bist diejenige, die viel aushalten musste», sagte Margaret. «Ich weiß, dass ich nicht die einfachste Tochter auf der Welt war. Ich werde versuchen, mich zu bessern.»
«Tust du doch schon.»
Beide standen auf, Margaret umarmte Emily, wie sie es sich, seit sie trocken war, zur Gewohnheit gemacht hatte, und tätschelte ihr den Rücken. «Ich liebe dich, Mom.»
«Ich dich auch, Liebes», erwiderte Emily, doch als Margaret gegangen war, knipste sie die Lampe aus und saß einen Augenblick allein da, zerstreut und unzufrieden, als hätte sie eine Niederlage erlitten. Sie hatte gedacht, sie würde sich nach diesem Gespräch besser fühlen, als könnte sie mit der Vorbereitung auf ihren Tod die Vergangenheit auslöschen und sich alles von der Seele reden. Doch sie fühlte sich leer und kam sich dumm vor, weil sie das für möglich gehalten hatte, egal, ob es ihre Schuld war oder nicht. Sie musste an die ganze Zeit denken, die sie vergeudet, an all die sinnlosen Kämpfe, die sie ausgefochten hatten, und obwohl sie im Herzen wusste, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als sich endlich mit Margaret auszusöhnen, konnte sie den Gedanken nicht abschütteln, dass sie beide bis zum letzten Augenblick gewartet hatten und es inzwischen zu spät war.
Das Geschenk
Am ersten Weihnachtstag regnete es, und Sarah verbrachte den Nachmittag im Bett. Ihr Husten bereitete Margaret Sorgen. Am nächsten Tag wollten sie frühmorgens zurück nach Michigan fliegen, wo es schneite. Die Kinder sollten über den Jahreswechsel mit Jeffs Familie bei deren Haus auf der Upper Peninsula Ski laufen.
«Wenn sie so erkältet ist, kann er doch nicht erwarten, dass sie zu ihm kommt», sagte Emily.
«Natürlich erwartet er das», erwiderte Margaret, als stünde es außer Zweifel.
Am liebsten hätte Emily vorgeschlagen, dass sie bleiben sollten, bis es Sarah wieder besser ging.
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