Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
Vom Netzwerk:
sein, als dass er es wäre. Das beweist doch, dass ich ihn mehr liebe als mich?«
    »Das sind schöne Worte«, erwiderte ich, »doch müssen es auch die Taten beweisen, und wenn er wieder gesund ist, beachten Sie wohl, dass Sie die in der Stunde der Angst gefassten Vorsätze nicht vergessen.«
    Während wir plauderten, näherten wir uns einer Tür, die auf die Straße hinausführte; meine junge Herrin, die wieder auflebte, kletterte hinauf, setzte sich oben auf die Mauer und beugte sich hinüber, um ein paar Hagebutten zu pflücken, die ihr aus den oberen Zweigen der Heckenrosensträucher entgegenleuchteten. An den unteren Zweigen waren keine Früchte mehr, und an die oberen reichten nur die Vögel und Cathy von ihrem augenblicklichen Sitz aus. Als sie sich reckte, um sie zu ergreifen, fiel ihr Hut hinunter, und da die Tür verschlossen war, machte sie den Vorschlag, ihm nachzuklettern und ihn zu holen. Ich bat sie, vorsichtig zu sein, damit sie nicht hinfiele, und sie verschwand behende. Aber wieder heraufzukommen war nicht so leicht, die Steine waren glatt und sauber verputzt, und die Rosenbüsche und wilden Brombeerschößlinge boten nicht genügend Halt zum Emporklimmen. Ich Törin hatte das nicht bedacht, bis ich hörte, wie sie lachte und rief: »Ellen, du wirst einen Schlüssel holen müssen, sonst muss ich bis zur Pförtnerwohnung um die Mauer herumlaufen. Ich kann sie von dieser Seite aus nicht ersteigen.«
    »Bleiben Sie, wo Sie sind«, antwortete ich, »ich habe mein Schlüsselbund in der Tasche, vielleicht kann ich die Tür öffnen, wenn nicht, werde ich gehen.«
    Catherine vertrieb sich die Zeit, während ich all die großen Schlüssel der Reihe nach ausprobierte, indem sie vor der Tür hin und her sprang. Ich hatte den letzten versucht, keiner passte; darum wiederholte ich meine Bitte, sie solle dort stehenbleiben, und wollte so schnell wie möglich nach Hause eilen, als ein näherkommendes Geräusch mich zurückhielt. Es war der Hufschlag eines Pferdes. Cathy hörte auf zu springen, und gleich darauf hielt das Pferd auch schon an.
    »Wer ist das?« flüsterte ich.
    »Ellen, ich wünschte, du könntest die Tür öffnen«, gab meine Begleiterin ängstlich flüsternd zurück.
    »Hallo, Miss Linton!« rief eine tiefe Stimme, die dem Reiter gehörte. »Ich bin froh, dass ich Sie treffe. Gehen Sie nicht so schnell hinein, denn ich habe Sie um eine Erklärung zu bitten.«
    »Ich werde nicht mit Ihnen sprechen, Mr. Heathcliff«, antwortete Catherine, »Papa sagt, Sie sind ein schlechter Mensch und hassen sowohl ihn wie mich, und Ellen sagt dasselbe.«
    »Das gehört nicht hierher«, sagte Heathcliff, denn er war es. »Meinen Sohn hasse ich doch wohl nicht, und um seinetwillen bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit. Ja, Sie haben allen Grund, zu erröten. Hatten Sie nicht vor zwei oder drei Monaten die Gewohnheit, an Linton zu schreiben, die Verliebte zu spielen, he? Ihr beide hättet Prügel dafür verdient. Besonders Sie als die Ältere und, wie es sich herausgestellt hat, die Unempfindlichere. Ich bin im Besitz Ihrer Briefe, und wenn Sie mir schnippisch kommen, werde ich sie Ihrem Vater schicken. Ich nehme an, Sie wurden des Spieles überdrüssig und machten ein Ende, nicht wahr? Aber Sie haben Linton dadurch in einen Abgrund von Verzweiflung gestürzt. Er war ernstlich verliebt, wirklich. So wahr ich lebe, er stirbt um Ihretwillen, das Herz bricht ihm wegen Ihrer Unbeständigkeit, nicht bildlich gesprochen, sondern tatsächlich. Obgleich Hareton ihn seit sechs Wochen zur Zielscheibe seines Spottes macht und ich ernstere Maßnahmen ergriffen und versucht habe, ihm den Unsinn auszutreiben, geht es ihm täglich schlechter. Er wird, noch bevor es Sommer wird, unter der Erde liegen, wenn Sie ihn nicht heilen.«
    »Wie können Sie das arme Kind so schamlos anlügen!« rief ich von drinnen. »Bitte, reiten Sie weiter! Wie können Sie vorsätzlich so erbärmliche Lügen auftischen! Miss Cathy, ich werde das Schloss mit einem Stein zerschlagen; Sie werden doch diesen niederträchtigen Unsinn nicht glauben. Sie müssen doch selber fühlen, dass es unmöglich ist, dass jemand aus Liebe zu einem Fremden stirbt.«
    »Ich wusste nicht, dass es hier Lauscher gibt«, sagte der ertappte Schurke. »Würdige Mrs. Dean, ich habe dich sehr gern; deine Doppelzüngigkeit aber habe ich nicht gern«, fügte er hinzu. »Wie konntest du so schamlos lügen und behaupten, ich hasste das ›arme Kind‹, und es durch erfundene

Weitere Kostenlose Bücher