Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)
Linton beansprucht seinen ganzen Vorrat an Sorgfalt und Freundlichkeit für sich selbst. Er kann ausgezeichnet den kleinen Tyrannen spielen. Er würde es übernehmen, so viele Katzen, als Sie wollen, zu foltern, wenn ihnen vorher die Zähne gezogen und die Krallen gestutzt worden wären. Ich versichere Ihnen, Sie werden seinem Onkel schöne Geschichten über seine Güte erzählen können, wenn Sie nach Hause kommen.«
»So ist’s recht«, sagte ich, »enthüllen Sie ihr den Charakter Ihres Sohnes. Zeigen Sie ihr, wie sehr er Ihnen gleicht; ich hoffe, Miss Cathy wird es sich dann zweimal überlegen, bevor sie diesen Basilisken nimmt.«
»Im Augenblick liegt mir nichts daran, von seinen liebenswürdigen Eigenschaften zu sprechen«, antwortete er; »denn entweder sie nimmt ihn, oder sie bleibt hier gefangen, und du mit ihr, bis dein Herr stirbt. Ich kann euch beide hier ganz verborgen halten. Wenn du es nicht glaubst, dann rede ihr zu, ihr Wort zurückzunehmen, und du wirst die Möglichkeit haben, dich davon zu überzeugen.«
»Ich werde mein Wort nicht zurücknehmen«, sagte Catherine. »Ich will ihn noch in dieser Stunde heiraten, wenn ich danach nach Thrushcross Grange zurück darf. Mr. Heathcliff, Sie sind ein grausamer Mann, aber Sie sind kein Teufel, und Sie werden nicht aus reiner Bosheit all mein Glück unwiederbringlich zerstören. Wenn Papa glauben müsste, ich hätte ihn vorsätzlich verlassen, und wenn er vor meiner Rückkunft stürbe, wie könnte ich dann weiterleben? Ich werde nicht mehr weinen, aber ich werde hier zu Ihren Füssen niederknien, und ich werde nicht aufstehen und werde nicht aufhören, Sie anzublicken, bis auch Sie mich ansehen. Nein, wenden Sie sich nicht ab. Sie müssen mich anblicken. Sie werden nichts sehen, was Sie aufbringen könnte. Ich hasse Sie nicht. Ich bin nicht böse, dass Sie mich geschlagen haben. Haben Sie nie in Ihrem Leben jemanden geliebt, Onkel? Niemals? Oh, Sie müssen mich einmal ansehen, ich bin so unglücklich, es wird Ihnen leid tun, und Sie werden mich bedauern müssen.«
»Nimm deine Froschfinger weg, und mach, dass du fortkommst, oder ich werde dir einen Fußtritt geben«, schrie Heathcliff und stiess sie roh zurück. »Lieber möchte ich von einer Schlange umarmt werden. Wie, zum Teufel, kannst du es wagen, vor mir zu kriechen? Ich verabscheue dich!« — Er zuckte die Achseln, schüttelte sich wirklich vor Ekel und warf sein schwarzes Haar zurück. Ich erhob mich und öffnete den Mund, um einen Strom von Schimpfworten über ihn zu ergiessen; doch wurde ich mitten im ersten Satz zum Schweigen gebracht durch die Drohung, ich würde allein in ein Zimmer gesteckt werden, wenn ich noch ein Wort sagte. Es wurde dunkel, wir vernahmen Stimmen an der Gartenpforte. Unser Wirt eilte augenblicklich hinaus. Er war geistesgegenwärtig, wir nicht. Zwei bis drei Minuten wurde verhandelt, dann kehrte er allein zurück.
»Ich glaubte, es wäre Ihr Vetter Hareton«, bemerkte ich zu Catherine. »Ich wünschte, er käme. Wer weiss, vielleicht hätte er unsere Partei ergriffen.«
»Es waren drei Dienstboten von Thrushcross Grange, die nach euch geschickt worden waren«, sagte Heathcliff, der meine Bemerkung gehört hatte. »Du hättest das Fenster öffnen und hinausrufen müssen; aber ich möchte schwören, das junge Ding ist froh, dass du es nicht getan hast. Sicherlich freut sie sich, dass sie gezwungen ist, zu bleiben.«
Als wir erfuhren, welche günstige Gelegenheit wir versäumt hatten, gaben wir unserem Schmerz unbeherrschten Ausdruck, und er ließ uns ruhig bis neun Uhr jammern und wehklagen. Dann befahl er uns, durch die Küche hinauf in Zillahs Zimmer zu gehen, und ich flüsterte meiner Gefährtin zu, sie solle gehorchen; vielleicht, dass es uns gelänge, dort aus dem Fenster zu klettern oder in eine Bodenkammer zu gelangen und durch die Dachluke zu entkommen. Das Fenster jedoch war ebenso schmal wie unten, und die Dachluke war vor unseren Versuchen sicher, denn wir wurden wieder wie zuvor eingeschlossen. Wir legten uns beide nicht hin; Catherine ließ sich am Fenster nieder und wartete unruhig auf das Morgengrauen. Die einzige Antwort auf meine wiederholten Bitten, sie möge versuchen, zu ruhen, war ein tiefer Seufzer. Ich setzte mich in einen Stuhl, wiegte mich hin und her und hielt hartes Gericht über meine zahlreichen Pflichtversäumnisse, denn es wurde mir klar, dass sie an all dem Missgeschick meiner Herrschaft schuld waren. Ich weiss, dass das in Wirklichkeit
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