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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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einverstanden war, konnte ich sie nicht daran hindern. Und wie hätte sie sich ihm entziehen können? Was ihn mit solchem Entsetzen erfüllte, konnten wir nicht ergründen, doch hielt es ihn, ohnmächtig, in seinen Fängen, und eine Steigerung seiner Angst hätte ihn dem Wahnsinn in die Arme treiben können. Wir erreichten die Schwelle, Catherine ging hinein, und ich blieb stehen, bis sie den Kranken zu einem Stuhl geführt hatte, in der Erwartung, dass sie sofort zurückkommen werde; Mr. Heathcliff jedoch stiess mich hinein und rief: »Mein Haus ist nicht von der Pest befallen, Nelly, und mir ist heute so gastfreundlich zumute; setz dich und gestatte, dass ich die Tür schließe.«
    Er machte sie zu und drehte den Schlüssel um. Ich erschrak.
    »Ihr sollt Tee trinken, bevor ihr heimreitet«, fügte er hinzu. »Ich bin allein. Hareton ist mit dem Vieh draussen, und Zillah und Joseph sind auf einer Vergnügungsreise. Und obwohl ich daran gewöhnt bin, allein zu sein, schätze ich doch interessante Gesellschaft, wenn ich sie haben kann. Miss Linton, setzen Sie sich neben ihn. Ich schenke Ihnen, was ich habe; das Geschenk ist allerdings kaum wert, angenommen zu werden, aber ich habe nichts anderes zu bieten. Es ist Linton, den ich meine. Wie sie mich anstarrt! Es ist seltsam, wie alles, was mich zu fürchten scheint, meine Grausamkeit reizt. Wäre ich in einem Lande geboren, wo der Geschmack weniger zimperlich und die Gesetze weniger streng wären, würde ich mir einen Spaß daraus machen, die beiden dort langsam zu Tode zu quälen.«
    Er zog den Atem ein, schlug auf den Tisch und knirschte:
    »Beim Teufel, ich hasse sie!«
    »Ich habe keine Angst vor Ihnen!« rief Catherine, die den letzten Teil seiner Rede nicht gehört hatte. Sie trat dicht an ihn heran, ihre schwarzen Augen loderten vor Zorn und Entschlossenheit. »Geben Sie mir den Schlüssel, ich will ihn haben!« sagte sie. »Ich würde hier nichts essen und trinken, und wenn ich am Verhungern wäre!«
    Heathcliff hielt den Schlüssel in seiner Hand, die auf dem Tisch ruhte. Er blickte auf, durch ihre Kühnheit überrascht; vielleicht wurde er auch durch ihre Stimme und ihren Blick an sie erinnert, von der sie beides geerbt hatte. Sie griff nach dem Schlüssel, und fast gelang es ihr, ihn seinen gelockerten Fingern zu entwinden, aber ihre Bewegung hatte ihn in die Gegenwart zurückversetzt, und schnell schloss sich seine Hand um den Schlüssel.
    »Nun, Catherine Linton«, sagte er, »lassen Sie das, oder ich werde Sie niederschlagen, und das wird Mrs. Dean toll machen.«
    Ohne auf seine Drohung zu achten, ergriff sie wiederum seine geschlossene Faust mit dem Schlüssel darin. »Wir wollen gehen«, wiederholte sie und machte die grössten Anstrengungen, um den eisernen Griff zu lockern. Als sie merkte, dass ihre Nägel nicht dazu ausreichten, nahm sie die Zähne zu Hilfe und biss kräftig zu. Heathcliff warf mir einen Blick zu, der mich davon abhielt, mich auch nur im geringsten einzumischen. Catherine war zu eifrig mit seinen Fingern beschäftigt, um ihm ins Gesicht zu sehen. Er öffnete sie plötzlich und ließ dabei den Gegenstand des Streites fahren; aber bevor sie ihn sich recht gesichert hatte, packte er sie mit der frei gewordenen Hand, zwang sie auf die Knie und verabreichte ihr mit der anderen Hand auf beide Seiten des Kopfes einen Hagel fürchterlicher Schläge, von denen jeder einzelne genügt hätte, seine Drohung wahrzumachen, wenn er sie nicht gepackt gehalten hätte.
    Bei dieser teuflischen Roheit stürzte ich mich wütend auf ihn.
    »Schurke«, schrie ich, »Schurke!« Ein Stoß vor die Brust brachte mich zum Schweigen. Ich bin dick und gerate schnell ausser Atem, dazu kam meine Wut: schwindlig taumelte ich zurück, und mir war, als müsse ich ersticken oder der Schlag solle mich rühren.
    Das Ganze spielte sich in zwei Minuten ab. Catherine machte sich frei, fuhr sich mit den Händen an die Schläfen und wusste anscheinend nicht, ob ihr die Ohren noch am Kopf saßen. Das arme Ding zitterte und lehnte sich ganz verwirrt an den Tisch.
    »Du siehst, ich verstehe Kinder zu züchtigen«, sagte der Schurke grimmig, während er sich bückte, um sich den Schlüssel wieder anzueignen, der hinuntergefallen war. »Geh jetzt zu Linton, wie ich dir befohlen hatte, und weine, soviel du willst. Morgen werde ich dein Vater sein — der einzige Vater, den du in einigen Tagen überhaupt haben wirst —, und du sollst viel Schläge bekommen. — Du kannst viel

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