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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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allein beten, er hätte etwas zu tun.
    »Erst werde ich Vater gute Nacht sagen«, meinte Catherine, und ehe wir sie daran hindern konnten, schlang sie ihre Arme um seinen Hals. Das arme Ding entdeckte sofort, was geschehen war; sie schrie auf: »Oh, er ist tot, Heathcliff, er ist tot!« Und beide brachen in herzzerbrechendes Schluchzen aus.
    Ich klagte ebenso laut und bitterlich wie sie; aber Joseph fragte, was wir uns dabei dächten, über einen Heiligen im Himmel zu wehklagen. Er schickte mich nach Gimmerton zum Arzt und zum Pfarrer. Ich konnte mir nicht erklären, was die beiden jetzt noch nützen sollten, aber ich ging durch Wind und Regen und brachte einen von ihnen, den Arzt, mit zurück; der andere meinte, er werde am Morgen kommen. Ich ließ Joseph die nötigen Aufklärungen geben und lief ins Zimmer der Kinder. Ihre Tür stand weit offen, und ich sah, dass sie sich überhaupt noch nicht hingelegt hatten, obwohl es schon nach Mitternacht war; aber sie waren ruhiger und brauchten meinen Trost nicht. Die kleinen Seelen trösteten sich gegenseitig mit besseren Vorstellungen, als ich sie ihnen hätte geben können. Kein Geistlicher der Welt hat den Himmel jemals so herrlich ausgemalt, wie sie es in ihrem unschuldigen Geplapper taten, und während ich ihnen schluchzend lauschte, konnte ich nur wünschen, wir wären allesamt dort in Sicherheit.
     
     
     

Sechstes Kapitel
    MR. HINDLEY kam zum Begräbnis nach Hause, und — was uns in Erstaunen setzte und den Nachbarn rechts und links zum Klatschen Anlass gab — er brachte eine Frau mit. Wer sie war und woher sie stammte, darüber gab er uns nie Auskunft; wahrscheinlich hatte sie weder einen Namen noch Vermögen aufzuweisen, sonst hätte er die Verbindung schwerlich vor seinem Vater geheimgehalten.
    Sie war kein Mensch, der von sich aus viel Unruhe ins Haus gebracht hätte. Alles, was sie sah, nachdem sie die Schwelle überschritten hatte, schien sie zu entzücken, ebenso jeder Vorgang um sie her, mit Ausnahme der Vorbereitungen für das Begräbnis und der Anwesenheit der Trauernden. Man hätte sie für närrisch halten können nach ihrem Benehmen während der Trauerzeremonie. Sie lief in ihr Zimmer, und ich musste mitkommen, obgleich ich die Kinder hätte anziehen müssen; und da saß sie zitternd und rang die Hände und fragte immer wieder: »Sind sie noch nicht fort?« Dann begann sie mit hysterischer Aufgeregtheit die Wirkung zu beschreiben, die Schwarz auf sie ausübe, und sprang auf und bebte und fing schließlich an zu weinen. Als ich fragte, was ihr fehle, sagte sie, sie wisse es selber nicht, aber sie habe solche Angst vor dem Sterben. Dabei sah sie ebenso gesund und lebendig aus wie ich selbst. Sie war zwar zart, aber sie hatte frische Farben, und ihre Augen funkelten wie Diamanten. Wohl bemerkte ich, dass sie beim Treppensteigen sehr schnell atmete, dass das geringste unerwartete Geräusch sie zusammenfahren ließ und dass sie manchmal sehr hustete. Aber ich wusste nicht, was solche Anzeichen bedeuten, und ich konnte kein Mitgefühl für sie aufbringen. Wir schließen uns hierzulande schwer an Fremde an, Mr. Lockwood, wenn sie nicht zuerst uns näherkommen.
    Der junge Earnshaw hatte sich in den drei Jahren seiner Abwesenheit ziemlich verändert. Er war magerer geworden, hatte seine frische Farbe verloren und sprach und kleidete sich ganz anders. Gleich am Tage seiner Rückkehr ordnete er an, dass Joseph und ich uns künftighin in der hinteren Küche aufhalten und das ›Haus‹ ihm überlassen sollten. Ja er hätte am liebsten einen kleinen leeren Raum als Wohnzimmer tapezieren und mit Teppichen versehen lassen; aber seine Frau fand so viel Gefallen an dem weissen Fußboden, der gewaltigen leuchtenden Feuerstätte, an den Zinnschüsseln und dem Porzellanschrank, an der Hundehütte und an dem weiten Wohnraum, in dem man sich so frei bewegen konnte, dass er merkte, sie vermisste nichts, und den Plan wieder fallenließ.
    Sie äusserte auch ihre Freude darüber, eine Schwester in ihrer neuen Umgebung vorzufinden; sie schwatzte auf Catherine ein und küsste sie, lief mit ihr umher und schenkte ihr anfänglich eine Menge Dinge. Ihre Zuneigung ließ jedoch bald nach, und als sie launisch wurde, wurde Hindley tyrannisch. Ein paar Worte der Abneigung gegen Heathcliff von ihr genügten, um seinen ganzen alten Hass gegen den Jungen von neuem auflodern zu lassen. Er verbannte ihn aus ihrer Gesellschaft zum Gesinde, entzog ihm den Unterricht beim Vikar, bestand

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