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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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darauf, dass er statt dessen im Freien arbeiten sollte, und zwar zwang er ihn zu der schweren Arbeit der anderen Burschen auf dem Gut.
    Heathcliff ertrug seine Erniedrigung anfänglich ganz gut, weil Cathy ihm beibrachte, was sie lernte, und mit ihm auf den Feldern arbeitete oder spielte. Sie waren beide auf dem besten Wege, wie die Wilden aufzuwachsen; dem jungen Herrn war es ganz gleichgültig, wie sie sich benahmen und was sie taten, und sie gingen ihm aus dem Wege. Er würde nicht einmal darauf gesehen haben, dass sie sonntags in die Kirche gingen, wenn nicht Joseph und der Vikar ihm Vorwürfe gemacht hätten, als die Kinder einfach wegblieben; so strafte er Heathcliff mit einer Tracht Prügel und Catherine mit Entziehung des Mittag- und Abendessens. Eine ihrer Hauptbelustigungen war, morgens ins Moor hinauszulaufen und den ganzen Tag dort zu bleiben; die darauffolgende Strafe nahmen sie mit Lachen auf sich. Der Vikar konnte Catherine noch so viele Kapitel zum Auswendiglernen aufgeben und Joseph konnte Heathcliff schlagen, bis sein Arm schmerzte: im Augenblick, als sie wieder beisammen waren, vergaßen sie alles, ganz bestimmt aber in dem Augenblick, wenn sie einen ungezogenen Racheplan ausgeheckt hatten. Manch liebes Mal habe ich im geheimen geweint, wenn ich sie von Tag zu Tag ungebärdiger werden sah und nicht wagte, ein Wort laut werden zu lassen, aus Angst, den geringen Einfluss zu verlieren, den ich noch über die freundlosen Geschöpfe behalten hatte. An einem Sonntagabend waren sie wieder einmal wegen eines Lärms, den sie verursacht hatten, oder wegen eines ähnlichen leichten Vergehens aus dem Wohnzimmer verbannt worden, und als ich sie zum Abendbrot rufen wollte, konnte ich sie nirgends finden. Wir durchsuchten das Haus von oben bis unten, ebenso den Hof und die Ställe: sie blieben unsichtbar, und schließlich befahl Hindley, ganz aufgebracht, die Türen zu verriegeln, und verschwor sich, dass niemand sie in der Nacht einlassen werde. Alle im Haus gingen zu Bett, nur ich war zu unruhig, mich niederzulegen, öffnete meine Fensterläden und beugte den Kopf hinaus, in den Regen zu lauschen; denn ich hatte vor, sie trotz dem Verbot einzulassen, wenn sie zurückkämen. Nach einer Weile hörte ich Schritte auf der Straße näher kommen, und das Licht einer Laterne schimmerte durch die Pforte. Ich warf mir ein Tuch über den Kopf, denn ich wollte verhindern, dass Mr. Earnshaw durch ihr Klopfen geweckt werde. Nur Heathcliff stand da, und es gab mir einen Schlag, als ich ihn allein sah.
    »Wo ist Miss Catherine?« rief ich hastig. »Hoffentlich ist kein Unglück geschehen?« »In Thrushcross Grange«, sagte er, »und ich wäre auch da, wenn sie so anständig gewesen wären, mich zum Bleiben aufzufordern.« »Nun, du wirst gehörig was abkriegen!« sagte ich. »Du wirst nicht eher Ruhe geben, bis du weggejagt wirst. Wie in aller Welt kamt ihr darauf, nach Thrushcross Grange zu laufen?« »Lass mich erst meine nassen Sachen ausziehen, dann werde ich dir alles erzählen, Nelly«, entgegnete er. Ich bat ihn, ja nicht den Herrn zu wecken, und während er sich entkleidete und ich darauf wartete, das Licht auszulöschen, fuhr er fort: »Cathy und ich entwischten durch das Waschhaus, um zusammen einen Streifzug zu machen, und als wir die Lichter des Gehöftes schimmern sahen, wollten wir hingehen und nachsehen, ob die Lintons ihre Sonntagabende auch damit zubringen, fröstelnd in den Ecken umherzustehen, während ihr Vater und ihre Mutter essen und trinken und mit strahlenden Augen am Feuer singen und lachen. Glaubst du, dass sie das tun? Oder dass sie Predigten lesen und von ihrem Knecht abgefragt werden und eine Spalte Bibelnamen lernen müssen, wenn sie nicht richtig antworten?« »Wahrscheinlich nicht«, entgegnete ich. »Sie sind gewiss artige Kinder und verdienen die Behandlung nicht, wie du sie für dein schlechtes Betragen erfährst.« »Red nicht so scheinheilig, Nelly«, sagte er. »Ist ja Unsinn! Wir rannten vom Gipfel der Anhöhe ohne Ausruhen bis zum Park; Cathy war ganz erschöpft vom Laufen, denn sie war barfuss. Nach ihren Schuhen kannst du morgen im Schlamm suchen. Wir krochen durch ein Loch in der Hecke, tasteten uns den Weg entlang und stellten uns in ein Blumenbeet unter dem Wohnzimmerfenster. Der Lichtschein kam von dort; sie hatten die Läden nicht geschlossen, und die Vorhänge waren nur halb vorgezogen. Wir konnten beide hineinblicken, wenn wir uns auf den Sockel stellten und uns am Sims

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