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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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bei einem Kinde gesehen hatte. Sie stellte unsere Geduld fünfzigmal am Tage und öfter auf die Probe. Vom Augenblick an, da sie die Treppe herunterkam, bis sie zu Bett ging, waren wir nicht eine Minute sicher vor ihren Dummheiten. Sie war immer in ausgelassenster Stimmung, ihre Zunge war rastlos in Bewegung; sie sang und lachte und quälte jeden, der anders war. Ein schlimmer, wilder Schößling war sie, aber sie hatte die hübschesten Augen, das süsseste Lächeln und den zierlichsten Gang im Kirchspiel; und im Grunde meinte sie es niemals böse, glaube ich. Denn wenn sie einen einmal im Ernst zum Weinen gebracht hatte, so kam es selten vor, dass sie sich beruhigte, ehe sie ihre Unart wiedergutgemacht hatte. Sie hing viel zu sehr an Heathcliff. Die grösste Strafe, die wir über sie verhängen konnten, war, sie von ihm fernzuhalten, und doch wurde sie am meisten um seinetwillen gescholten. Beim Spielen liebte sie es ganz besonders, die kleine Herrin herauszukehren, teilte freigebig Ohrfeigen und Knüffe aus und beherrschte ihre Spielgefährten. Mit mir versuchte sie es auch; aber ich ließ mir ihre Schläge und Befehle nicht gefallen.
    Mr. Earnshaw vertrug keinen Scherz von seinen Kindern, er war immer streng und ernst mit ihnen umgegangen, und Catherine wiederum konnte nicht begreifen, warum ihr Vater in seiner Leidenszeit verdriesslicher und ungeduldiger sein sollte, als er es in früheren Jahren gewesen war. Seine mürrischen Vorhaltungen erweckten in ihr ein ungezogenes Vergnügen, ihn zu reizen; sie war nie glücklicher, als wenn wir alle gleichzeitig mit ihr schalten. Dann bot sie uns allen Schach mit dreisten, kecken Blicken und ihren schlagfertigen Erwiderungen, machte Josephs fromme Verwünschungen lächerlich, plagte mich und tat genau das, was ihren Vater am meisten ärgerte: sie bewies, dass ihre gespielte Frechheit, die Heathcliff für echt hielt, mehr Macht über ihn hatte als des Vaters Güte und dass der Junge ihre Wünsche alle erfüllte, seine nur, wenn sie seinen eigenen Neigungen entsprachen. Wenn sie den ganzen Tag über so ungezogen wie möglich gewesen war, schmiegte sie sich wohl am Abend zärtlich an ihn, um es wiedergutzumachen. »Nein, Cathy«, pflegte der alte Mann dann zu sagen, »ich kann dich nicht gern haben, du bist schlimmer als dein Bruder. Geh beten, Kind, und bitte Gott um Verzeihung. Ich glaube, deine Mutter und ich müssen bereuen, dass wir dich in die Welt gesetzt haben.« Anfänglich brachte sie das zum Weinen, aber da sie immer wieder abgewiesen wurde, verhärtete sie sich und lachte, wenn ich sie ermahnte, wegen ihrer Unarten um Verzeihung zu bitten.
    Endlich kam die Stunde, die Mr. Earnshaws irdischen Sorgen ein Ende setzte. An einem Abend im Oktober entschlief er sanft in seinem Stuhl neben dem Kamin. Ein heftiger Wind brauste ums Haus und heulte im Schornstein; es hörte sich wild und stürmisch an, aber es war noch nicht kalt, und wir waren alle beisammen. Ich saß mit meinem Strickzeug etwas abseits vom Feuer, und Joseph las am Tisch in seiner Bibel (denn damals saß das Gesinde gewöhnlich im ›Haus‹, wenn die Arbeit getan war). Miss Cathy war krank gewesen und deshalb ungewöhnlich still; sie lehnte sich an ihres Vaters Knie, und Heathcliff lag auf dem Fußboden, den Kopf auf ihrem Schoß. Ich entsinne mich, dass der Herr, bevor er einschlummerte, ihr hübsches Haar streichelte — es gefiel ihm sehr, sie so ruhig zu sehen — und sagte: »Warum kannst du nicht immer so brav sein, Cathy?« Und sie erhob ihr Gesicht zu seinem empor, lachte und antwortete: »Warum kannst du nicht immer so gut sein, Vater?« Aber sobald sie sah, dass ihn dies ärgerte, küsste sie seine Hand und sagte, sie wolle ihn in Schlaf singen. Sie begann ganz leise zu singen, bis seine Finger die ihren losließen und sein Kopf auf die Brust sank. Ich sagte ihr, sie solle still sein und sich nicht rühren, um ihn nicht zu wecken. So blieben wir alle eine volle halbe Stunde mäuschenstill und hätten noch länger gesessen, wenn nicht Joseph, der sein Kapitel beendet hatte, aufgestanden wäre; er sagte, er müsse den Herrn wecken zum Beten und Schlafengehen. Er trat zu ihm, rief ihn an und berührte seine Schulter; als er sich nicht rührte, nahm er die Kerze und betrachtete ihn. Mir war es, als sei etwas nicht in Ordnung, als er das Licht wieder hinstellte, die Kinder bei den Händen nahm und ihnen zuflüsterte, sie sollten hinaufgehen und gar keinen Lärm machen, sie müssten heute abend

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