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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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musste gestehen, und als Strafe für meine Feigheit und Roheit wurde ich aus dem Hause gewiesen.
    Das war Heathcliffs Einführung in die Familie. Als ich einige Tage später zurückkehrte (denn ich betrachtete meine Verbannung nicht als endgültig), fand ich, dass sie ihn Heathcliff getauft hatten. Es war der Name eines Sohnes, der als kleines Kind gestorben war, und er hat ihm seither als Vorname wie als Zuname gedient. Miss Cathy und er waren schon dicke Freunde, aber Hindley hasste ihn und, um die Wahrheit zu sagen, ich mit ihm; wir quälten ihn und sprangen schändlich mit ihm um. Ich war nicht vernünftig genug, meine Ungerechtigkeit zu erkennen, und die Herrin brachte nie ein Wort zu seinen Gunsten vor, wenn sie sah, dass ihm Unrecht geschah. Er war ein gedrücktes, geduldiges Kind, anscheinend an schlechte Behandlung gewöhnt. Hindleys Schläge ertrug er, ohne zu zucken und ohne eine Träne zu vergiessen, und wenn ich ihn kniff, so zog er nur den Atem ein und schlug seine Augen groß auf, als ob er sich durch Zufall weh getan hätte und niemand schuld daran sei. Diese Langmut brachte den alten Earnshaw in Wut, wenn er merkte, dass sein Sohn das arme, vaterlose Kind (so nannte er es) quälte. Er gewann Heathcliff auf erstaunliche Art lieb und glaubte ihm alles, was er sagte (übrigens sagte er herzlich wenig und fast immer die Wahrheit), und verwöhnte ihn weit mehr als Cathy, die für ein Hätschelkind zu mutwillig und zu launenhaft war.
    So hat er von Anfang an im Hause Unfrieden gesät, und beim Tode Mrs. Earnshaws, der weniger als zwei Jahre später eintrat, hatte der junge Herr gelernt, seinen Vater nicht als Freund, sondern als Unterdrücker zu betrachten und Heathcliff als einen, der sich die Zuneigung seines Vaters und seine Vorrechte erschlichen hatte, und das Grübeln über diese Kränkungen verbitterte ihn. Eine Zeitlang dachte ich genauso; aber als die Kinder an Masern erkrankten und ich sie pflegte und so die Sorgen einer Frau übernehmen musste, änderte sich mein Sinn. Heathcliff war todkrank, und als es ganz schlimm um ihn stand, wollte er mich ständig an seinem Bett haben. Ich glaube, er fühlte, dass ich ihm wohltat, und er ahnte nicht, dass ich es gezwungen tat. Ich muss sagen, er war das ruhigste Kind, das je von einer Pflegerin versorgt wurde. Der Unterschied zwischen ihm und den anderen lehrte mich, weniger parteiisch zu sein. Cathy und ihr Bruder plagten mich schrecklich, er war geduldig wie ein Lamm; doch glaubte ich, dass es eher seine Verschlossenheit als Freundlichkeit war, die ihn so bescheiden machte.
    Er genas, und der Arzt meinte, das sei zum grössten Teil mein Verdienst, und lobte meine sorgfältige Pflege. Ich war stolz auf seine Anerkennung; sie stimmte mich weicher gegen das Menschenkind, das mir dieses Lob eingebracht hatte, und so verlor Hindley seinen letzten Verbündeten. Ich konnte mir jedoch nichts aus Heathcliff machen und fragte mich oft, was meinen Herrn so sehr zu dem einsilbigen Jungen hingezogen hatte, der, soweit ich mich erinnerte, seine Bevorzugung nie mit einem Zeichen von Dankbarkeit vergalt. Er war nicht ungezogen gegen seinen Wohltäter, er war nur gleichgültig. Dabei wusste er genau, welchen Halt er an ihm hatte, und er war sich klar darüber, dass er nur den Mund aufzutun brauchte, um das ganze Haus seinen Wünschen gefügig zu machen. Ich erinnere mich eines Beispiels. Eines Tages kaufte Mr. Earnshaw auf dem Jahrmarkt ein Paar Füllen und schenkte jedem der Jungen eines. Heathcliff nahm sich das schönste; aber bald fing es an zu lahmen, und als er das entdeckte, sagte er zu Hindley: »Du musst dein Pferd mit mir tauschen, ich mag meines nicht, und wenn du nicht willst, werde ich deinem Vater erzählen, dass du mich diese Woche dreimal verprügelt hast, und werde ihm meinen Arm zeigen, der bis oben hin grün und blau ist.« Hindley steckte die Zunge heraus und versetzte ihm eine Ohrfeige. »Tu es lieber gleich«, beharrte Heathcliff und entwischte zur Tür (sie waren im Stall). »Du musst ja doch, und wenn ich von diesen Schlägen erzähle, bekommst du sie mit Zinsen zurück.« »Weg, du Hund!« schrie Hindley und drohte ihm mit einem eisernen Gewicht, das zum Wiegen von Kartoffeln und Heu benutzt wurde. »Wirf nur«, entgegnete Heathcliff und stand still, »dann werde ich ihm erzählen, wie du damit geprahlt hast, du werdest mich vor die Tür setzen, sobald er tot ist; dann kannst du sehen, ob er dich nicht selbst gleich hinauswirft.« Hindley warf

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