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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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nahm sich vor, ihre Schwägerin nach deren Rückkehr gebührend im Zaum zu halten, indem sie List, nicht Gewalt anwandte. Mit Zwang hätte sie nichts erreicht.
     
     
     

Siebentes Kapitel
    CATHY BLIEB fünf Wochen, bis Weihnachten, in Thrushcross Grange. Unterdessen war ihr Fußknöchel vollständig geheilt, und sie hatte sich bessere Umgangsformen angeeignet. Die gnädige Frau besuchte sie in der Zwischenzeit öfters und fing ihre Erziehung damit an, dass sie versuchte, ihre Eitelkeit durch hübsche Kleider und Schmeicheleien zu wecken, worauf Cathy bereitwillig einging. So kam es, dass statt einer unbändigen, hutlosen kleinen Wilden, die ins Haus gesprungen wäre, um uns alle halbtot zu drücken, ein sehr zurückhaltendes Geschöpf von einem schönen schwarzen Pony stieg; braune Ringellocken fielen unter dem Aufschlag eines hohen Federhutes herab, und sie trug einen langen Tuchmantel, den sie mit beiden Händen raffen musste, um hereinrauschen zu können. Hindley half ihr vom Pferde und rief entzückt aus: »Ei, Cathy, du bist ja eine regelrechte Schönheit! Ich hätte dich fast nicht erkannt; du siehst jetzt aus wie ein Dame. Isabella Linton kann sich nicht mit ihr messen, nicht wahr, Frances?« »Isabella ist nicht so hübsch wie sie«, erwiderte seine Frau, »aber sie muss sich davor hüten, hier wieder zu verwildern. Ellen, hilf Miss Catherine aus ihren Sachen! Halt still. Liebling, du wirst deine Locken in Unordnung bringen; lass mich deinen Hut losbinden!«
    Ich nahm ihr den Mantel ab, und darunter kamen zum Vorschein: ein großartiges buntkariertes Seidenkleid, weisse Beinkleider und blank polierte Schuhe. Ihre Augen leuchteten voll Freude auf, als die Hunde zu ihrer Begrüssung angelaufen kamen, doch wagte sie kaum, sie zu berühren, um ihr schönes Kleid vor ihrem Ansprung zu bewahren. Sie küsste mich vorsichtig, denn ich war ganz mit Mehl bestäubt, weil ich Weihnachtskuchen buk, und eine Umarmung wäre nicht ratsam gewesen; und dann blickte sie sich nach Heathcliff um. Mr. und Mrs. Earnshaw sahen diesem Wiedersehen ängstlich entgegen; denn nun musste es sich ja zeigen, wieweit sie darauf hoffen durften, die beiden Freunde voneinander zu trennen. Heathcliff war zunächst schwer aufzufinden. War er vor Catherines Abwesenheit schon verwahrlost und vernachlässigt gewesen, so war das jetzt zehnmal mehr der Fall. Niemand ausser mir erwies ihm soviel Teilnahme, ihn einen schmutzigen Jungen zu nennen und ihn dazu anzuhalten, sich einmal wöchentlich zu waschen; Kinder seines Alters haben von Natur selten eine Vorliebe für Seife und Wasser. Daher waren sein Gesicht und seine Hände schrecklich schmutzig, gar nicht zu reden von seiner Kleidung, die ihm drei Monate lang in Schlamm und Staub gedient hatte, und von seinem dichten, ungekämmten Haar. Er mochte sich wohl hinter einem Sessel verborgen haben, als er ein so schönes, liebreizendes Fräulein in das Haus kommen sah statt des verwahrlosten Gegenstückes seiner selbst, das er erwartet hatte. »Ist Heathcliff nicht hier?« fragte sie, zog ihre Handschuhe aus und zeigte Hände, die vom Nichtstun und Stubensitzen wundervoll weiss geworden waren.
    »Heathcliff, du kannst herkommen«, rief Mr. Hindley, weidete sich an seiner Verwirrung und freute sich, beobachten zu können, als was für einen abstoßenden Gesellen er sich darstellen musste. »Du kannst kommen und Miss Catherine willkommen heissen, wie das übrige Gesinde.«
    Cathy, die ihren Freund in seinem Versteck erblickt hatte, flog auf ihn zu, um ihn zu umarmen; sie gab ihm im Nu sieben oder acht Küsse auf die Wange, dann hielt sie ein, trat zurück fing an zu lachen und rief: »Ei, wie furchtbar schmutzig und widerwärtig du aussiehst! Und wie… wie drollig und grimmig! Aber das kommt daher, dass ich an Edgar und Isabella Linton gewöhnt bin. Nun, Heathcliff, hast du mich vergessen?«
    Sie hatte nicht unrecht, diese Frage zu stellen, denn Scham und Stolz hatten sein Gesicht zwiefach verdüstert und ließen ihn unbeweglich verharren.
    »Gib die Hand, Heathcliff«, sagte Mr. Earnshaw herablassend, »für dieses Mal mag es erlaubt sein.«
    »Das werde ich nicht«, entgegnete der Junge, endlich Worte findend, »ich will nicht dastehen und mich auslachen lassen. Das kann ich nicht ertragen!«
    Er wäre davongelaufen, wenn Miss Cathy ihn nicht wieder gepackt hätte.
    »Ich wollte dich nicht auslachen«, sagte sie, »ich konnte nur nicht an mich halten. Heathcliff, gib mir endlich die Hand! Warum bist

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