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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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verstehen.«
    »Es ist mein Geheimnis. Wenn du mich nicht auslachen willst, werde ich es dir erklären. Deutlich kann ich es nicht; aber ich will dir beschreiben, was ich fühle.«
    Sie setzte sich wieder neben mich, ihr Gesichtsausdruck wurde trauriger und ernster, und ihre verschlungenen Hände zitterten.
    »Nelly, hast du jemals seltsame Träume?« sagte sie plötzlich nach einigen Minuten der Überlegung.
    »Ja, dann und wann«, antwortete ich.
    »Ich auch. Ich habe in meinem Leben Träume gehabt, die sich mir für immer eingeprägt und mein Inneres verwandelt haben; sie sind ganz und gar in mich eingegangen, wie Wein ins Wasser, und haben mich in meinem ganzen Denken verändert. Und dieser ist einer. Ich werde ihn erzählen; aber hüte dich, an irgendeiner Stelle darüber zu lächeln.«
    »Oh, tun Sie es nicht, Miss Catherine!« rief ich. »Wir sind traurig genug, auch ohne Geister und Gesichte heraufzubeschwören, die uns verwirren. Kommen Sie, seien Sie lustig, seien Sie Sie selbst! Sehen Sie den kleinen Hareton an! Er träumt nichts Düsteres. Wie süss er im Schlafe lächelt!«
    »Ja, und wie süss sein Vater in seiner Einsamkeit flucht! Ich glaube wohl, du erinnerst dich seiner, als er geradeso ein pausbäckiges Ding war, auch so jung und unschuldig. Trotzdem, Nelly, musst du mich heute anhören; es dauert nicht lange, und ich habe heute nicht die Kraft, lustig zu sein.«
    »Ich will nichts hören, ich will nichts hören!« wiederholte ich hastig.
    Ich war damals abergläubisch, was Träume anbelangt, und bin es noch, und über Catherines Erscheinung lag eine so ungewöhnliche Schwermut, dass ich mich vor etwas fürchtete, woraus ich eine Prophezeiung hätte formen und eine furchtbare Katastrophe voraussehen können. Sie war unruhig, aber sie sprach nicht weiter. Nach einer Weile fing sie von etwas anderem an: »Wenn ich im Himmel wäre, Nelly, würde ich sehr, sehr unglücklich sein.«
    »Weil Sie nicht wert sind, dort zu sein«, antwortete ich. »Alle Sünder sind im Himmel unglücklich.«
    »Das ist es nicht. Ich habe einmal geträumt, ich wäre dort.«
    »Ich sage Ihnen, ich will von Ihren Träumen nichts hören, Miss Catherine! Ich gehe zu Bett«, unterbrach ich sie wieder.
    Sie lachte und drückte mich nieder; denn ich machte eine Bewegung, als wenn ich mich erheben wollte.
    »Hab doch keine Angst!« rief sie. »Ich wollte nur sagen, dass der Himmel nicht meine Heimat zu sein schien; ich habe mir fast das Herz aus dem Leibe geweint, dass ich wieder zurück auf die Erde käme, und die Engel waren so böse, dass sie mich zuletzt hinauswarfen, mitten in die Heide, an der höchsten Stelle von Wuthering Heights. Und dort erwachte ich, vor Freude schluchzend. Dieser Traum genügt, ebenso wie der andere, mein Geheimnis zu erklären. Es kommt mir ebensowenig zu, Edgar Linton zu heiraten, wie im Himmel zu sein, und wenn der Bösewicht da drinnen Heathcliff nicht so tief hätte sinken lassen, dann hätte ich niemals an dergleichen gedacht. Jetzt wäre es unter meiner Würde, Heathcliff zu heiraten, darum darf er nie wissen, wie sehr ich ihn liebe und das nicht etwa, weil er schön ist, Nelly, sondern weil mein Wesen in ihm noch klarer ausgeprägt ist als in mir selber. Woraus auch unsere Seelen gemacht sein mögen, seine und meine gleichen sich; Linton aber unterscheidet sich von ihnen wie ein Mondstrahl vom Blitz, wie das Eis vom Feuer.«
    Bevor sie zu Ende geredet hatte, wurde ich mir der Anwesenheit Heathcliffs bewusst. Da ich eine schwache Bewegung wahrgenommen hatte, wandte ich den Kopf und sah, wie er sich von der Bank erhob und sich geräuschlos hinausstahl.
    Er hatte zugehört, bis er Catherine sagen hörte, es wäre unter ihrer Würde, ihn zu heiraten, dann wollte er nichts weiter hören. Meine Gefährtin, die auf dem Fußboden saß, konnte durch die Rückenlehne des Sessels weder seine Anwesenheit noch seinen Aufbruch bemerken; aber ich erschrak und gebot ihr, still zu sein.
    »Warum?« fragte sie und sah sich ängstlich um.
    »Joseph ist hier«, antwortete ich, denn ich hörte gleichzeitig das Rollen seiner Karrenräder auf der Straße, »und Heathcliff wird mit ihm hereinkommen. Ich bin nicht sicher, ob er nicht in diesem Augenblick an der Tür war.«
    »Oh, von der Tür aus konnte er mich nicht hören!« sagte sie. »Gib mir Hareton, während du das Nachtessen richtest, und wenn du fertig bist, lade mich ein, mit euch zu essen. Ich möchte mein Gewissen beruhigen und mich davon überzeugen, dass

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