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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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verraten. Ich möchte wissen, was ich tun soll. Heute hat Edgar Linton um mich angehalten, und ich habe ihm eine Antwort gegeben; ehe ich dir verrate, ob es eine Zustimmung oder eine Ablehnung war, sage du mir, was es hätte sein sollen.«
    »Aber, Miss Catherine, was soll ich dazu sagen?« erwiderte ich. »Wenn ich bedenke, wie Sie sich heute nachmittag in seiner Gegenwart aufgeführt haben, möchte ich sagen, es sei klüger, ihn abzuweisen; da er Sie hinterher gefragt hat, muss er entweder hoffnungslos dumm oder ein waghalsiger Narr sein.«
    »Wenn du so sprichst, werde ich dir nichts weiter erzählen«, erwiderte sie verdriesslich und erhob sich. »Ich habe seinen Antrag angenommen, Nelly. Nun sage mir schnell, ob es falsch war!«
    »Sie haben ihn angenommen? Wozu dann also noch darüber reden? Sie haben Ihr Wort verpfändet und können es nicht rückgängig machen.«
    »Aber sage mir, ob ich so recht gehandelt habe — sag es!« rief sie in ärgerlichem Ton aus, rieb ihre Hände aneinander und runzelte die Stirn.
    »Da ist vielerlei in Betracht zu ziehen, ehe man diese Frage richtig beantworten kann«, sagte ich bedeutungsvoll. »Zuerst und vor allem, lieben Sie Mr. Edgar?«
    »Wer hätte ihn nicht gern? Natürlich liebe ich ihn!« antwortete sie.
    Dann unterwarf ich sie dem folgenden Verhör, und für ein Mädchen von zweiundzwanzig Jahren war ich dabei vielleicht ganz verständig.
    »Warum lieben Sie ihn, Miss Cathy?«
    »Unsinn, ich tue es; das genügt.«
    »Ganz und gar nicht, Sie müssen doch sagen können, warum.«
    »Nun, weil er schön ist und weil man gern mit ihm zusammen ist.«
    »Schlechte Antwort!« bemerkte ich.
    »Und weil er jung und heiter ist.«
    »Immer noch schlecht!«
    »Und weil er mich liebt.«
    »Belanglos in diesem Zusammenhang.«
    »Und er wird reich sein, und mir wird es Spaß machen, die vornehmste Frau der Umgebung zu sein, und ich werde stolz darauf sein, einen solchen Mann zu haben.«
    »Ganz schlecht! Und nun sagen Sie, wie Sie ihn lieben.«
    »Wie jeder liebt — du bist töricht, Nelly!«
    »Ganz und gar nicht. — Antworten Sie!«
    »Ich liebe den Boden unter seinen Füssen und die Luft über seinem Haupt und alles, was er anfasst, und jedes Wort, das er sagt. Ich liebe alles, was er ansieht, und alles, was er tut, und ihn selber ganz und gar, wie er ist. Da hast du’s!«
    »Und warum?«
    »Also nein, du machst dich lustig darüber, das ist ganz furchtbar boshaft! Für mich ist es gar kein Spaß!« sagte die junge Dame grollend und kehrte ihr Gesicht dem Feuer zu.
    »Ich denke nicht daran, mich lustig zu machen, Miss Catherine«, entgegnete ich. »Sie lieben Mr. Edgar, weil er schön und jung und heiter und reich ist und weil er Sie liebt. Das letzte jedoch gilt nicht; denn Sie liebten ihn wahrscheinlich auch so und würden es nicht tun, wenn er die ersten vier anziehenden Eigenschaften nicht besäße.«
    »Nein, sicherlich nicht; ich würde ihn bemitleiden, vielleicht ihn hassen, wenn er hässlich und ein Tölpel wäre.«
    »Aber es gibt noch manche andere schöne, reiche, junge Männer auf der Welt, möglicherweise schönere und reichere als ihn. Was hindert Sie daran, diese zu lieben?«
    »Wenn es solche gibt, so sind sie mir nicht über den Weg gekommen. Ich habe keinen besseren gesehen als Edgar.«
    »Sie werden vielleicht einmal einen sehen; und Mr. Edgar wird nicht immer schön und jung sein und braucht nicht immer reich zu bleiben.«
    »Jetzt ist er’s, und ich habe nur mit der Gegenwart zu tun. Du solltest wirklich vernünftiger reden.«
    »Nun, das entscheidet. Wenn Sie nur mit der Gegenwart zu tun haben, dann heiraten Sie Mr. Linton!«
    »Ich brauche deine Erlaubnis nicht dazu, ich werde ihn heiraten; und doch hast du mir nicht gesagt, ob ich recht daran tue.«
    »Vollkommen recht — wenn Menschen recht daran tun, nur für die Gegenwart zu heiraten. Und nun lassen Sie hören, worüber Sie unglücklich sind. Ihr Bruder wird sich freuen; die alten Herrschaften werden wohl nichts dagegen haben; Sie werden ein unordentliches, ungemütliches Heim mit einem wohlhabenden, hochgeachteten vertauschen; und Sie lieben Edgar, und Edgar liebt Sie. Alles scheint glatt und leicht — wo sitzt der Haken?«
    »Hier! und hier!« erwiderte Catherine und schlug sich mit einer Hand auf die Stirn, mit der anderen auf die Brust, »wo immer die Seele sitzen mag. In meiner Seele und in meinem Herzen bin ich überzeugt, dass ich falsch handle.«
    »Das ist sehr seltsam; das kann ich nicht

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