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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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Feld reingekommen? Wo is’r denn, der faule Kerl?« fragte der alte Mann und sah sich nach Heathcliff um.
    »Ich werde ihn rufen«, entgegnete ich, »sicher ist er in der Scheune.«
    Ich ging und rief, erhielt aber keine Antwort. Als ich zurückkehrte, flüsterte ich Catherine zu, ich glaubte, er hätte einen Teil von dem, was sie gesagt hatte, gehört, und erzählte ihr, dass ich ihn hatte die Küche verlassen sehen, gerade als sie sich über das Betragen ihres Bruders ihm gegenüber beklagte. Sie sprang in großem Schreck auf, legte Hareton hastig auf die Bank und lief, um ihren Freund selber zu suchen, ohne darüber nachzudenken, warum sie so erregt war und wie ihre Worte auf ihn gewirkt haben konnten. Sie war so lange draussen, dass Joseph vorschlug, wir sollten nicht länger warten. Sein Misstrauen ließ ihn vermuten, dass sie so lange wegblieben, um nicht sein Tischgebet anhören zu müssen. Sie wären jeder Schlechtigkeit fähig, behauptete er. Ihretwegen fügte er seinem üblichen viertelstündigen Tischgebet an diesem Abend eine besondere Fürbitte an und hätte noch eine zweite ans Ende der Mahlzeit gesetzt, wenn nicht seine junge Herrin hereingestürzt wäre und ihm hastig befohlen hätte, er solle die Straße hinablaufen und Heathcliff, wo er sich auch herumtriebe, suchen und zur sofortigen Rückkehr veranlassen.
    »Ich will und muss mit ihm sprechen, bevor ich hinaufgehe!« sagte sie. »Und die Pforte ist offen, er ist weit draussen, denn er antwortete nicht, obwohl ich von oben bei der Hürde nach ihm rief, so laut ich konnte.«
    Zuerst machte Joseph Einwendungen; sie sprach jedoch zu ernst, als dass er weiteren Widerspruch wagte; schließlich nahm er seinen Hut und ging brummend davon.
    Unterdessen ging Catherine auf und ab und rief: »Ich möchte wissen, wo er ist! — Wenn ich nur wüsste, wo er sein kann! Was habe ich gesagt, Nelly? Ich habe es vergessen. Hat er sich heute nachmittag über meine schlechte Laune geärgert? Liebe, sage mir, was ich gesagt habe, was ihn betrübt hat. Ich wollte, er käme. Ach, wenn er doch käme!«
    »Was für ein Lärm um nichts!« rief ich, obwohl mir selbst unbehaglich zumute war. »Warum erschrecken Sie über eine solche Kleinigkeit! Es ist doch wirklich kein Grund zur Beunruhigung, wenn Heathcliff einen Mondscheinspaziergang ins Moor macht oder wenn er, weil er nicht mit uns reden will, sich auf dem Heuboden schlafen legt. Ich wette, er treibt sich dort umher. Sie werden sehen, ich stöbere ihn auf.«
    Ich ging nun selbst auf die Suche nach ihm. Das Ergebnis war enttäuschend, und Joseph ging es nicht besser.
    »’s wird immer schlimmer mit dem Burschen!« bemerkte er, als er wieder hereinkam. »Sperrangelweit hat’r de Pforte aufgelassen, un das Pony hat zwei Kornpuppen umgetrampelt un is drüber weggesetzt un rein in de Wiese! Na, wie’s is, wird der Herr morgen wie’n Teufel zwischenfahrn, und das is gut. Er is die Geduld in Person mit so’ nem liederlichen, unnützen Geschöpf — die Geduld in Person is’r! Aber er wird’s nich immer sein — ihr werd’s sehn, ihr alle! Ihr müsst’n nich um nix un wieder nix verrückt machen!«
    »Hast du Heathcliff gefunden, du Dummkopf?« unterbrach ihn Catherine. »Hast du nach ihm gesucht, wie ich befohlen hatte?«
    »Ich sollt lieber nach’m Pferd suchen«, erwiderte er. »Das wär vernünftiger. Aber ich kann weder nach’m Pferd noch nach’m Mensch suchen in so ’ner Nacht, schwarz wie’n Schornstein! Un Heathcliff is nich einer, der auf’n Pfiff von mir kommt; vielleicht kommt’r, wenn’r Sie hört!«
    Es war ein sehr dunkler Abend für den Sommer, die Wolken schienen ein Gewitter anzukündigen, und ich sagte, wir wollten uns lieber alle hinsetzen, denn der herannahende Regen triebe ihn sicherlich nach Hause. Catherine jedoch ließ sich nicht zur Ruhe bereden. Sie ging weiter zwischen Tür und Pforte hin und her in einem Zustand von Erregung, der kein Ausruhen gestattete, und blieb schließlich auf der einen Seite der Hauswand nahe der Straße stehen. Dort blieb sie, trotz allen meinen Vorstellungen, trotz dem grollenden Donner und den großen Tropfen, die rings um sie her spritzten — sie rief in gewissen Abständen, lauschte dann und weinte laut auf. Sie übertraf Hareton und jedes andere Kind im heftigen, leidenschaftlichen Weinen.
    Um Mitternacht, als wir immer noch aufsaßen, kam das Unwetter mit voller Wucht heulend über die Anhöhe. Der Sturm tobte, der Donner grollte, und ein Blitz spaltete

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