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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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einen Baum an der Ecke des Hauses. Ein riesiger Ast fiel über das Dach, schlug einen Teil der östlichen Schornsteinreihe ein und sandte einen Hagel von Steinen und eine Wolke von Russ in den Küchenkamin. Wir glaubten, ein Blitz sei mitten zwischen uns gefahren, und Joseph warf sich auf die Knie und flehte den Herrn an, er möge sich an Noah und Lot erinnern und, wie in alten Zeiten, den Gerechten verschonen, wenn er die Gottlosen heimsuche. Ich hatte das Gefühl, als sei ein Strafgericht über uns gekommen. Der Jonas war in meiner Vorstellung Mr. Earnshaw, und ich rüttelte an der Klinke seines Zimmers, um mich zu vergewissern, ob er noch lebte. Er antwortete ganz deutlich und in einer Weise, die meinen Gefährten veranlasste, noch ungestümer als zuvor auszurufen: es müsse ein großer Unterschied gemacht werden zwischen Heiligen gleich ihm und Sündern gleich seinem Herrn. Aber das Unwetter war nach zwanzig Minuten vorüber, und wir blieben alle unversehrt, ausser Cathy, die zur Strafe für ihren Eigensinn völlig durchnässt war und ohne Haube und Umschlagtuch dastand und alles Wasser in ihren Haaren und Kleidern auffing. Sie kam herein und legte sich, durchweicht, wie sie war, auf die Bank, kehrte ihr Gesicht der Wand zu und bedeckte es mit den Händen.
    »Nun«, rief ich aus und berührte ihre Schulter, »Sie wollen sich wohl den Tod holen, ja? Wissen Sie, wie spät es ist? Halb eins! Kommen Sie, gehen Sie zu Bett! Es hat keinen Zweck, noch länger auf den närrischen Jungen zu warten; er wird nach Gimmerton gegangen sein und jetzt dort bleiben. Er wird nicht wissen, dass wir seinetwegen so lange wach geblieben sind, oder er wird annehmen, dass nur Mr. Hindley noch auf ist, und wird vermeiden wollen, sich vom Herrn die Tür öffnen zu lassen.«
    »Nee, nee, er is nich in Gimmerton«, sagte Joseph. »Mich sollt’s nich wundern, wenn’r auf m Grund von ’nem Mauseloch wär. Diese Heimsuchung war nich für nix un wieder nix, un Sie, Frollein, müss’n aufpassen — Sie sin die nächste, die drankommt. Dem Himmel sei Dank für alles! Alles wendet sich zum Besten für den, der erwählt is un aus der Erniedrigung aufgelesen is! Sie wissen, was die Heilige Schrift sagt…« Und er fing an, mehrere Stellen anzuführen, und bezeichnete uns die Kapitel und Verse, wo wir sie finden konnten.
    Nachdem ich das eigensinnige Mädchen vergebens gebeten hatte, aufzustehen und ihre nassen Sachen auszuziehen, ließ ich Joseph predigend und sie fröstelnd zurück und begab mich zu Bett mit dem kleinen Hareton, der so fest schlief, als ob alle um ihn herum geschlafen hätten. Ich hörte Joseph noch eine Weile weiterlesen, dann vernahm ich seine langsamen Schritte auf der Leiter, und dann schlief ich ein.
    Als ich etwas später als gewöhnlich herunterkam, sah ich in den Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen der Fensterläden drangen, Miss Catherine immer noch am Feuer sitzen. Die Haustür stand offen, das Licht flutete durch die nicht geschlossenen Fenster herein, und Hindley war heruntergekommen und stand, verstört und schläfrig, am Küchenherd.
    »Was fehlt dir, Cathy?« sagte er gerade, als ich eintrat, »du siehst so unglücklich aus wie ein ertränkter junger Hund. Warum bist du so nass und bleich, Kind?«
    »Ich bin nass geworden«, antwortete sie widerstrebend, »und mir ist kalt, das ist alles.«
    »Oh, sie ist unartig!« rief ich, als ich merkte, dass der Herr leidlich nüchtern war. »Sie ist gestern abend bei dem Regenschauer durchnässt worden und hat die ganze Nacht hindurch hier gesessen, und ich konnte sie nicht überreden, sich von der Stelle zu rühren.«
    Mr. Earnshaw starrte uns überrascht an. »Die ganze Nacht hindurch?« wiederholte er. »Was hat sie wach gehalten? Doch sicherlich nicht Angst vor dem Gewitter? Das war ja schon seit Stunden vorüber.«
    Keiner von uns wollte Heathcliffs Abwesenheit erwähnen, solange wir sie verheimlichen konnten; daher antwortete ich, ich wüsste nicht, warum sie es sich in den Kopf gesetzt hätte, aufzubleiben, und sie sagte nichts. Der Morgen war frisch und kühl, ich schlug die Fensterläden zurück, und augenblicklich wurde der Raum von süssen Düften aus dem Garten erfüllt, aber Catherine rief mir verdrossen zu: »Ellen, schließ das Fenster. Ich friere!« Und ihre Zähne klapperten, als sie näher an das erloschene Feuer rückte.
    »Sie ist krank«, sagte Hindley und ergriff ihr Handgelenk; »ich denke, das war der Grund, warum sie nicht zu Bett gehen wollte.

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