Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)
Verdammt! Ich will nichts weiter mit Krankheiten zu tun haben. Warum bist du in den Regen gegangen?«
»Um hinter die Burschen herzulaufen, wie gewöhnlich!« krächzte Joseph, der die Gelegenheit, als wir zögerten, wahrnahm, seine Bosheiten anzubringen. »Wenn ich Sie wär, Herr, ich tät allen die Tür vor die Nase zuschlagen, ob vornehm, ob gering! Da is kein Tag, wenn Sie weg sin, dass diese Katze Linton nich angeschlichen kommt; na, un Miss Nelly is mir ’ne Feine! Sie sitzt un passt für sie in die Küche auf, un wenn Sie zur einen Tür reinkommen, geht er zu die andre raus, un denn macht unsre vornehme Dame anderen von ihr aus den Hof! Feines Benehmen is das, sich nach zwölf Uhr nachts mit den faulen, schändlichen Teufel von ’nem Zigeuner, den Heathcliff, in die Felder rumzutreiben! Die denken, ich bin blind, aber nix da, ich bin’s nich! Ich hab den jungen Linton kommen und gehn sehen. Un ich hab dich gesehn (damit wandte er sich an mich), du nixnutzige, schlampige Hexe! Auskneifen un das Haus verriegeln, kaum, dass du den Hufschlag vom Herrn auf der Straße hörst!«
»Schweig still, du Horcher!« schrie Catherine. »Ich will deine Unverschämtheiten nicht hören. Edgar Linton kam gestern zufällig, Hindley, und ich war es, die ihn bat, wegzugehen; denn ich wusste, du wärst ihm nicht gern begegnet, so wie du warst.«
»Du lügst natürlich, Cathy«, antwortete ihr Bruder, »und du bist ein verflixter Einfaltspinsel! Aber Linton ist mir augenblicklich gleichgültig. Sage mir, warst du nicht heute nacht mit Heathcliff zusammen? Sprich jetzt die Wahrheit! Du brauchst keine Angst zu haben, ihm dadurch zu schaden; ich hasse ihn wie nur je; aber er hat mir kürzlich einen Dienst erwiesen, das wird mich milde stimmen, und ich werde ihm nicht das Genick brechen. Damit es aber nicht doch dazu kommt, werde ich ihn noch diesen Morgen wegschicken, und wenn er weg ist, rate ich euch allen, euch vorzusehen, damit ich euch nicht mal etwas antue.«
»Ich habe Heathcliff vorige Nacht überhaupt nicht gesehen«, antwortete Catherine und begann bitterlich zu schluchzen, »und wenn du ihn vor die Tür setzt, dann werde ich mit ihm gehen. Aber vielleicht wirst du gar keine Gelegenheit dazu haben: vielleicht ist er auf und davon.« Hier brach sie in unbeherrschten Schmerz aus, und der Rest ihrer Worte war nicht zu verstehen.
Hindley überschüttete sie mit einem Strom höhnischer Schimpfworte und befahl ihr, sofort in ihr Zimmer zu gehen, oder er werde ihr Grund geben zum Weinen. Ich redete ihr zu, ihm zu gehorchen, und ich werde nie vergessen, wie sie sich aufführte, als wir in ihr Zimmer kamen: ich war zu Tode erschrocken. Ich dachte, sie verlöre den Verstand, und bat Joseph, den Arzt zu holen. Es stellte sich heraus, dass es beginnende Geistesverwirrung war; sobald Mr. Kenneth sie sah, sagte er, sie sei ernstlich krank, es sei ein Nervenfieber. Er ließ sie zur Ader, sagte mir, sie dürfe nur Molken und Haferschleim essen, und wir sollten aufpassen, dass sie sich nicht die Treppe hinunter oder aus dem Fenster stürze, und dann ging er weg, denn er hatte genug zu tun im Kirchspiel, wo die durchschnittliche Entfernung zwischen zwei Behausungen zwei bis drei Meilen betrug.
Obwohl ich keine sanfte Pflegerin war und Joseph und der Herr auch nicht besser waren, und obwohl unsere Kranke so schwierig und halsstarrig war, wie ein Patient es nur sein kann, kam sie doch durch. Die alte Mrs. Linton besuchte uns verschiedentlich, um sich von ihrem Befinden zu überzeugen und nach dem Rechten zu sehen, sie schalt mit uns und schickte uns alle hin und her, und als Catherine genesen war, bestand sie darauf, sie mit nach Thrushcross Grange zu nehmen. Wir waren froh, von dieser Last befreit zu werden, aber die arme Dame hatte guten Grund, ihre Güte zu bereuen: sie und ihr Mann erkrankten am Fieber und starben innerhalb weniger Tage kurz nacheinander.
Unser junges Fräulein kehrte frecher, jähzorniger und hochmütiger denn je zu uns zurück. Von Heathcliff hatte seit der Gewitternacht niemand mehr etwas gehört, und eines Tages, als sie mich ganz besonders gereizt hatte, beging ich die Ungeschicklichkeit, ihr die Schuld an seinem Verschwinden zu geben, was ja auch, wie sie wusste, zutraf. Von diesem Zeitpunkt an kannte sie mich für einige Monate nur noch in meiner Eigenschaft als Dienstbote. Joseph wurde auch in Bann getan, denn er wollte durchaus frei von der Leber weg sprechen und sie genauso schurigeln, als ob sie noch ein
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