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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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Stufen näherte. Im Torbogen bewegte sich etwas, und als ich näher trat, erkannte ich einen großen, dunkel gekleideten Mann mit dunklem Gesicht und Haar. Er lehnte an der Wand und legte die Hand auf die Klinke, als ob er beabsichtigte, die Tür selbst zu öffnen. ›Wer kann das sein?‹ dachte ich. ›Mr. Earnshaw? Unmöglich! Diese Stimme ist ganz anders als seine.‹
    »Ich habe hier eine Stunde gewartet«, fuhr er fort, während ich ihn weiter anstarrte, »und die ganze Zeit über ist es hier totenstill gewesen. Ich wagte nicht, hineinzugehen. Erkennst du mich nicht? Sieh mich an, ich bin kein Fremder!«
    Ein Lichtstrahl fiel auf sein Gesicht. Die Wangen waren gelblich und zur Hälfte bedeckt von einem schwarzen Bart, die Brauen finster zusammengezogen, die Augen tiefliegend und eigenartig. Diese Augen kannte ich.
    »Was?« schrie ich auf, und da ich nicht wusste, ob da ein Mensch aus Fleisch und Blut vor mir stand, erhob ich meine Hände. »Was, Sie sind zurückgekommen? Sind Sie es wirklich?«
    »Ja, ich bin Heathcliff«, erwiderte er und blickte von mir zu den Fenstern auf, die lauter glitzernde Monde widerspiegelten, aber kein Licht von innen sehen ließen. »Sind sie zu Hause? Wo ist sie? Nelly, du freust dich nicht! Du muss nicht so verstört sein. Ist sie hier? Sag doch! Ich möchte ein Wort mit ihr sprechen, mit deiner Herrin. Geh und sag, jemand aus Gimmerton möchte sie sprechen.«
    »Wie wird sie es aufnehmen?« rief ich. »Was wird sie tun? Die Überraschung verwirrt mich — sie wird ausser sich sein! Und Sie sind wirklich Heathcliff? Aber wie verändert! Nein, man kann es gar nicht fassen. Sind Sie Soldat gewesen?«
    »Geh und richte meinen Auftrag aus!« unterbrach er mich ungeduldig. »Ich leide Höllenqualen, solange du es nicht getan hast.«
    Er drückte die Klinke hinunter, und ich ging hinein; aber als ich am Wohnzimmer stand, wo sich Mr. und Mrs. Linton aufhielten, konnte ich es nicht über mich bringen einzutreten. Endlich wagte ich es unter dem Vorwand der Frage, ob die Kerzen angezündet werden sollten, und öffnete die Tür.
    Sie saßen zusammen an einem Fenster, dessen weit zurückgeschlagene Flügel den Blick freigaben über die Bäume im Garten und den verwilderten grünen Park bis zum Tal von Gimmerton mit seinem langen, gewundenen Nebelstreifen, der sich ganz hinauf bis zum Ende zog. (Vielleicht haben Sie gesehen, dass gleich hinter der Kapelle das Rinnsal, das vom Moor herabkommt, mit einem Bach zusammenfließt, der den Windungen des engen Tales folgt.) Wuthering Heights erhob sich über dem silbrigen Dunst, aber unser altes Haus war nicht zu sehen; es liegt tiefer auf der anderen Seite der Anhöhe. Das Zimmer und die Menschen darin und das Bild, auf das sie blickten, das alles sah wundersam friedlich aus. Unwillkürlich scheute ich davor zurück, meine Botschaft auszurichten; nachdem ich meine Frage wegen der Kerzen gestellt hatte, wendete ich mich wirklich schon ab, ohne es getan zu haben, aber das Bewusstsein meiner Torheit zwang mich, umzukehren und leise zu sagen: »Ein Mann aus Gimmerton möchte Sie sprechen, gnädige Frau.«
    »Was will er?« fragte Mrs. Linton.
    »Ich habe ihn nicht gefragt«, antwortete ich.
    »Es ist gut, zieh die Vorhänge zu, Nelly«, sagte sie, »und bring den Tee herein. Ich werde gleich wieder hier sein.«
    Sie verließ das Zimmer. Mr. Edgar fragte nebenhin, wer es sei. »Jemand, den die gnädige Frau nicht erwartet«, entgegnete ich. »Es ist dieser Heathcliff — Sie werden sich seiner erinnern —, der bei Mr. Earnshaw lebte.«
    »Was, der Zigeuner, der Ackerknecht?« rief er. »Warum hast du das Catherine nicht gesagt?«
    »Pst! So dürfen Sie ihn nicht nennen, Mr. Linton«, sagte ich. »Es würde ihr sehr schmerzlich sein, wenn sie das hörte. Das Herz ist ihr fast gebrochen, als er davonlief. Ich glaube, seine Rückkehr wird ein Fest für sie sein.«
    Mr. Linton ging zu einem Fenster an der anderen Seite des Zimmers und blickte über den Hof. Er öffnete es und lehnte sich hinaus. Ich glaube, sie standen darunter, denn er rief hastig: »Steh nicht dort draussen, Liebling! Lass den Mann herein, wenn er etwas Besonderes will.« Nicht lange danach hörte man das Knacken der Klinke, und Catherine flog atemlos und ungestüm die Treppe herauf. Sie war zu erregt, Freude zu zeigen; man hätte nach ihrem Gesicht eher auf ein schreckliches Unglück schließen können.
    »O Edgar, Edgar!« keuchte sie und schlang ihre Arme um seinen Hals. »O Edgar,

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