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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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he? Da, das ist die rechte Arbeit für dich.‹ Er schüttelte mich, dass meine Zähne aufeinander schlugen; dann schleuderte er mich an Josephs Seite hin, der sein Gebet unbeirrt zu Ende sprach, sich dann erhob und schwor, er wolle sich sofort nach Thrushcross Grange aufmachen. Mr. Linton sei Friedensrichter, und wenn ihm auch fünfzig Frauen gestorben wären, diese Sache hier müsse er untersuchen. Er beharrte so eigensinnig auf seinem Entschluss, dass Heathcliff es für ratsam hielt, einen genauen Bericht der Ereignisse aus meinem Munde zu erzwingen; er stand, geschwellt von Bosheit, vor mir, während ich meine Aussagen auf seine Fragen widerwillig machte. Es war ein hartes Stück Arbeit, bei meinen mühsam herausgepressten Antworten dem alten Mann begreiflich zu machen, dass Heathcliff nicht der Angreifer gewesen war. Bald jedoch überzeugte er sich davon, dass Mr. Earnshaw noch am Leben war, und beeilte sich, ihm etwas Branntwein einzuflößen, durch den sein Herr bald Bewegungsfähigkeit und Bewusstsein wiedererlangte. Als Heathcliff merkte, dass er nichts von dem ahnte, was während seiner Bewusstlosigkeit vor sich gegangen war, erklärte er ihn für sinnlos betrunken, sagte, er könne sein abscheuliches Betragen nicht länger mit ansehen, und forderte ihn auf, zu Bett zu gehen. Zu meiner Freude verließ uns Heathcliff, nachdem er diesen verständigen Rat gegeben hatte, und Hindley streckte sich auf den Fliesen vor dem Kamin aus. Ich begab mich in mein Zimmer und wunderte mich, dass ich so leichten Kaufes davongekommen war.
    Als ich heute vormittag gegen halb zwölf herunterkam, saß Mr. Earnshaw todelend am Feuer; sein böser Dämon, geisterhaft bleich und hager, lehnte am Kamin. Keiner von beiden schien essen zu wollen, und nachdem ich gewartet hatte, bis alles auf dem Tisch kalt geworden war, fing ich an, allein zu essen. Nichts hielt mich davon ab, herzhaft zuzugreifen; mit einem gewissen Gefühl der Genugtuung und der Überlegenheit streifte ich von Zeit zu Zeit meine schweigsamen Gefährten mit einem Blick und fühlte die Wohltat eines guten Gewissens. Als ich mit Essen fertig war, nahm ich mir die ungewöhnliche Freiheit, in die Nähe des Feuers zu rücken. Ich ging um Earnshaws Stuhl herum und kniete mich in die Ecke neben ihm.
    Heathcliff sah nicht nach mir hin, und ich blickte zu ihm auf und betrachtete seine Züge fast so furchtlos, als wenn sie sich in Stein verwandelt hätten. Auf seiner Stirn, die mir einstmals so männlich erschien und die ich jetzt so teuflisch finde, lagerte eine schwere Wolke. Seine Basiliskenaugen waren fast blicklos vor Schlaflosigkeit oder vielleicht vor Weinen, denn seine Wimpern waren feucht; seine Lippen, einmal nicht durch höhnisches Grinsen verzerrt, waren in einem Ausdruck unsagbarer Trauer zusammengepresst. Wäre es ein anderer gewesen, ich hätte, angesichts solchen Schmerzes, mein Haupt verhüllt. Hier befriedigte es mich, und wenn es auch unedel ist, einen gefallenen Feind zu kränken, so konnte ich mich nicht enthalten, einen Pfeil abzuschiessen. Seine Schwäche bot ja die einzige Gelegenheit, Böses mit Bösem zu vergelten.«
    »Pfui, pfui, Miss!« unterbrach ich. »Man könnte glauben, Sie hätten in Ihrem Leben nie die Bibel aufgeschlagen. Wenn Gott Ihre Feinde heimsucht, so sollte Ihnen das wirklich genügen. Es ist nicht nur niedrig, es ist auch anmaßend, Gottes Prüfungen von sich aus noch etwas hinzuzufügen.«
    »Im allgemeinen mag das zutreffen, Ellen«, fuhr sie fort, »aber keine Qual, die Heathcliff auferlegt wird, könnte mir Genugtuung verschaffen, wenn ich nicht selbst die Hand dabei im Spiele haben könnte. Lieber wollte ich, er lifte weniger, wenn ich nur dieses Leiden verursachen könnte und wenn er wüsste, dass ich die Veranlassung dazu bin. Ich habe ihm viel heimzuzahlen. Ich könnte ihm nur vergeben, wenn ich Auge um Auge, Zahn um Zahn fordern und für jedes Mal, da er mich gequält hat, ihm die gleichen Leiden zufügen könnte. Weil er der erste war, der Unrecht tat, müsste er auch der erste sein, der um Verzeihung fleht, und — dann könnte ich vielleicht Großmut beweisen. Aber es ist unmöglich, dass mir jemals Genugtuung geschieht, und darum kann ich ihm nie verzeihen. — Hindley bat um etwas Wasser, und ich reichte ihm ein Glas und fragte, wie er sich fühle.
    ›Nicht so krank, wie ich wünschte‹, erwiderte er. ›Abgesehen von meinem Arm tut mir jeder Zoll meines Körpers so weh, als hätte ich mit einem Heer von Kobolden

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