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Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
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ob er unser junges Fräulein gesehen habe.
    »Am Morgen hab ich sie gesehen«, antwortete er, »sie ließ sich von mir eine Haselgerte abschneiden, sprang mit ihrem kleinen Pferd über die Hecke dort, wo sie am niedrigsten ist, und galoppierte davon.«
    Sie können sich vorstellen, wie mir zumute war, als ich diesen Bericht hörte. Sofort durchzuckte mich der Gedanke, sie müsse sich auf den Weg nach der Felsklippe von Penistone gemacht haben. ›Wie wird es ihr ergehen?‹ seufzte ich, schob mich durch eine Öffnung im Zaun, die der Mann ausbesserte, und eilte auf die Landstraße zu. Ich ging Meile um Meile, als gelte es eine Wette, bis an einer Wegbiegung Wuthering Heights vor meinen Augen auftauchte, doch konnte ich nah und fern keine Catherine entdecken. Die Felsklippen liegen etwa anderthalb Meilen hinter Mr. Heathcliffs Haus, das sind vier Meilen von Thrushcross Grange, und ich bekam es mit der Angst zu tun, die Nacht könne hereinbrechen, bevor ich dorthin gelangen konnte. ›Und wenn sie nun beim Herumklettern in den Felsen ausgeglitten ist‹, überlegte ich, ›wenn sie tödlich abgestürzt ist oder sich etwas gebrochen hat?‹ Meine Ungewissheit war wirklich qualvoll, und im ersten Augenblick fühlte ich mich wunderbar erleichtert, als ich, dem Gutshaus zueilend, Charlie, den wildesten der Vorstehhunde, mit geschwollenem Kopf und blutendem Ohr unter einem Fenster liegen sah. Ich öffnete das Pförtchen, lief zur Haustür und klopfte heftig um Einlass. Eine Frau, die ich kannte und die früher in Gimmerton gewohnt hatte, öffnete; seit Mr. Earnshaws Tod war sie dort als Magd.
    »Oh«, sagte sie, »Sie suchen wohl Ihre kleine Herrin? Sie brauchen keine Angst zu haben; sie ist hier gut aufgehoben. Aber ich bin froh, dass es nich der Herr is.«
    »Er ist also nicht zu Hause?« keuchte ich, ganz ausser Atem vom schnellen Laufen und von der Aufregung.
    »Nein, nein«, erwiderte sie, »alle beide, Joseph und er, sind weg, und ich denke, sie wer’n nich so bald zurückkommen. Kommen Sie rein un ruhn Sie sich ’n bisschen aus.«
    Ich trat ein und erblickte mein verirrtes Schäfchen am Kamin, wo sie sich in einem kleinen Stuhl schaukelte, der ihrer Mutter als Kind gehört hatte. Ihr Hut hing an der Wand, und sie schien sich vollkommen zu Hause zu fühlen. Sie lachte und schwatzte in der denkbar besten Stimmung auf Hareton ein, der jetzt ein großer, starker Bursche von achtzehn Jahren war und sie voller Neugier und Erstaunen anstarrte. Er verstand wohl herzlich wenig von dem Redeschwall und den Fragen, die sie unaufhörlich hervorsprudelte.
    »Das ist ja heiter, Miss!« rief ich aus und verbarg meine Freude hinter einem ärgerlichen Gesicht. »Das war Ihr letzter Ritt, bevor Papa wiederkommt. Ich werde Sie nicht wieder über die Schwelle lassen, Sie ungezogenes Mädchen!«
    »Ach, Ellen!« rief sie fröhlich, sprang auf und kam auf mich zugelaufen. »Heute abend werde ich dir etwas Hübsches erzählen können; du hast mich also doch ausfindig gemacht. Bist du schon einmal in deinem Leben hier gewesen?«
    »Setzen Sie Ihren Hut auf, und dann marsch nach Hause!« sagte ich. »Ich bin sehr, sehr ärgerlich über Sie, Miss Cathy! Das war nicht recht von Ihnen. Schmollen und Weinen hat keinen Sinn, das macht die Sorge nicht wieder gut, mit der ich die ganze Gegend nach Ihnen durchsucht habe. Wenn ich bedenke, wie Mr. Linton mir auf die Seele gebunden hat, Sie nicht hinauszulassen, und Sie stehlen sich auf diese Art davon. Das zeigt, was für ein schlauer kleiner Fuchs Sie sind; niemand wird Ihnen je wieder trauen.«
    »Was habe ich denn getan?« schluchzte sie in plötzlicher Abwehr. »Papa hat mir nichts auf die Seele gebunden, er wird mich nicht schelten, Ellen; er ist nie böse wie du.«
    »Kommen Sie«, wiederholte ich, »ich werde die Schleife binden. Nun, machen Sie hier keine Geschichten. Schämen Sie sich! Dreizehn Jahre alt und noch so ein Kindskopf!«
    Dieser Ausruf entfuhr mir, weil sie sich den Hut vom Kopf riss und zum Kamin zurückwich, wo ich sie nicht fassen konnte.
    »Nicht doch«, sagte die Magd, »seien Sie nicht hart mit dem lieben Mädchen, Mrs. Dean. Wir haben sie veranlasst, hier zu bleiben. Sie wäre gern fortgeritten aus Furcht, Sie könnten sich um sie ängstigen. Aber Hareton hat ihr angeboten, sie zu begleiten, und ich fand das ganz in der Ordnung; denn der Weg über die Berge ist öde.«
    Während dieser Erörterung stand Hareton mit den Händen in den Taschen da, zu linkisch, um zu

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