Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe)

Titel: Emily Brontë: Sturmhöhe (Wuthering Heights) (Vollständige deutsche Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Brontë
Vom Netzwerk:
sprechen; aber man konnte ihm ansehen, dass er über mein Kommen nicht erfreut war.
    »Wie lange soll ich noch warten?« fuhr ich fort, ohne die beschwichtigende Rede der Frau zu beachten. »In zehn Minuten wird es dunkel sein. Wo ist das Pony, Miss Cathy? Und wo ist Phönix? Ich werde ohne Sie gehen, wenn Sie sich nicht beeilen. Also bitte!«
    »Das Pony ist im Hof«, antwortete sie, »und Phönix ist dort eingeschlossen. Er ist gebissen worden und Charlie ebenfalls. Ich wollte dir alles erzählen, aber du hast schlechte Laune und verdienst nicht, es zu hören.«
    Ich hob ihren Hut auf und näherte mich ihr, um ihn ihr wieder aufzusetzen. Da sie aber merkte, dass die Leute vom Haus ihre Partei ergriffen, fing sie an, im Zimmer umherzuhüpfen, und als ich nach ihr haschen wollte, lief sie wie ein Mäuschen über, unter und hinter die Möbel, und ich hätte mich lächerlich gemacht, wenn ich sie weiter verfolgt hätte. Hareton und die Frau lachten, sie stimmte in ihr Gelächter ein und wurde immer ungezogener, bis ich in grösster Erbitterung rief: »Nun, Miss Cathy, wüssten Sie, wessen Haus dies ist, wären Sie nur froh, wenn Sie wieder draussen wären.«
    »Es gehört doch Ihrem Vater, nicht wahr?« sagte sie, sich an Hareton wendend. »Nee«, entgegnete er, niederblickend und schamhaft errötend.
    Er konnte dem festen Blick ihrer Augen nicht standhalten, obwohl sie den seinen glichen.
    »Wem dann, Ihrem Herrn?« fragte sie.
    Er errötete tiefer, doch aus einem anderen Gefühl heraus, murmelte einen Fluch und wandte sich ab.
    »Wer ist sein Herr?« fuhr das schreckliche Kind, sich an mich wendend, fort. »Er sprach von ›unserem Haus‹ und ›unseren Leuten‹. Ich glaubte, er sei der Sohn des Hausherrn. Und er hat mich kein einziges Mal Miss genannt, und das hätte er doch tun müssen, wenn er zum Gesinde gehörte, nicht wahr?«
    Bei diesem kindischen Geplapper verfinsterte sich Haretons Gesicht wie der Himmel bei Gewitter. Schweigend schüttelte ich meinen kleinen Plagegeist, und es gelang mir schließlich, sie zum Fortgehen zurechtzumachen.
    »Nun hol mein Pferd!« sagte sie zu ihrem ihr unbekannten Vetter wie zu einem Stalljungen zu Hause. »Und du kannst mitkommen. Ich möchte sehen, wo der Koboldjäger aus dem Moor emporsteigt, und will etwas über die Elfen hören; aber beeil dich. Was ist denn los? Ich habe gesagt, du sollst mein Pferd holen!«
    »Verdammt will ich sein, wenn ich dich bediene«, knurrte der Bursche.
    »Was willst du sein?« fragte Catherine erstaunt.
    »Verdammt, du unverschämte Hexe!« antwortete er.
    »Da haben Sie’s, Miss Cathy! Sie sehen, Sie sind in eine feine Gesellschaft geraten«, warf ich ein. »Eine schöne Sprache einer jungen Dame gegenüber! Ich bitte Sie, fangen Sie nicht an, mit ihm zu streiten. Kommen Sie, wir wollen Minny allein suchen und machen, dass wir fortkommen.«
    »Aber Ellen«, schrie sie, starr vor Staunen, »wie darf er es wagen, so mit mir zu reden? Muss er nicht tun, was ich ihm sage? Du schlechtes Geschöpf, ich werde Papa erzählen, was du gesagt hast. Du wirst schon sehen!«
    Auf Hareton schien diese Drohung keinen Eindruck zu machen, und vor Entrüstung schossen ihr Tränen in die Augen.
    »Hol du das Pony«, rief sie, sich an die Frau wendend, »und lass augenblicklich meinen Hund frei!«
    »Sachte, sachte, Miss«, erwiderte die Angeredete. »Sie werden sich nichts vergeben, wenn Sie höflich sind! Wenn Mr. Hareton dort auch nicht des Herrn Sohn ist, so ist er doch Ihr Vetter, und ich bin nicht dazu da, Sie zu bedienen.«
    »Er — mein Vetter?« rief Cathy, höhnisch lachend.
    »Ja, allerdings«, entgegnete die Frau.
    »Oh, Ellen, erlaube ihnen nicht, so etwas zu sagen«, fuhr sie ganz verwirrt fort. »Papa ist nach London gereist, um meinen Vetter zu holen; mein Vetter ist der Sohn eines Edelmanns. Der dort, nein…«, sie hielt inne und weinte laut los, ausser sich bei der bloßen Vorstellung, mit so einem Tölpel verwandt zu sein.
    »Still, still«, flüsterte ich, »man kann viele und mancherlei Vettern haben, Miss Cathy, ohne schlecht dabei zu fahren, nur braucht man ihre Gesellschaft nicht zu suchen, wenn sie unangenehm und schlecht sein sollten.«
    »Er ist nicht mein Vetter, er ist es nicht, Ellen!« beharrte sie; aber der Gedanke machte ihr neuen Kummer, und sie stürzte sich, als wollte sie Schutz davor suchen, in meine Arme.
    Ich war sehr ärgerlich auf sie und die Frau wegen der beiderseitigen Enthüllungen, denn ich zweifelte nicht

Weitere Kostenlose Bücher