Emma - endlich vom Glück umarmt
weckte.
„Ach, Mr. Hawthorne“, sagte Amy, „ich denke daran, wie angenehm unsere Spazierfahrt durch den Park werden wird.“
„Das hoffe ich.“ In seiner Stimme klang Ironie mit.
Emma war dankbar, dass Amy geantwortet hatte. Dummerweise hatte sie selbst sich von seiner Frage angesprochen gefühlt, doch das war wohl ein Irrtum. Ein dummer Irrtum.
Gegen ihren Willen lauschte sie dem leichten Geplänkel ihrer Begleiter, bis die Kutsche in den Hyde Park einbog und sich auf der Rotten Row in die lange Reihe der Wagen und Reiter einordnete. Jeder, der etwas darstellte, und mancher, der nichts darstellte, drängte sich dort während der Saison. Hier gesehen zu werden war absolut fashionable, und Emma musste sich ehrlich eingestehen, dass es Amy nicht schaden würde.
Amy zeigte strahlend lächelnd ihre weißen Zähne und winkte immer wieder einem Bekannten grüßend zu. Sosehr es Emma widerstrebt hatte, sie mit Hawthorne ausfahren zu lassen, freute sie sich nun doch, ihre Schwester so glücklich zu sehen. Bestimmt würde sie bald einen Antrag erhalten.
Charles Hawthorne saß Emma unmittelbar gegenüber, sodass hier und da durch das Schwanken des Wagens sein Knie an das ihre streifte, was sehr beunruhigende Gefühle in ihr auslöste.
Als sie ihm unauffällig einen Blick zuwarf, sah sie, dass er amüsiert lächelte, und fragte sich, ob diese vertrauliche Berührung von ihm beabsichtigt war, entschied aber sofort dagegen. Nein, er war an Amy interessiert, nicht an ihr.
Er konnte unter all den Damen des ton wählen und würde ihr gewiss keinen zweiten Blick schenken, wenn er nicht – aus Gründen, die, wie Emma überzeugt war, unmöglich ehrenhaft sein konnten – Amy nachstellte.
„Ein Penny für Ihre Gedanken, Ms. Stockton.“
Als er ihren Namen nannte, wallte es heiß in ihr auf, und sie fragte sich, ob er sie nicht doch schon mit seiner ersten Frage angesprochen hatte. Sofort verwarf sie den Gedanken. Trotzdem – diese ganze Situation war irritierend.
„Ich wundere mich, warum alle Welt in London sein will, wenn es doch um diese Jahreszeit auf dem Land am schönsten ist.“ Emma betrachtete sehnsüchtig das Grün der Bäume und des Rasens. „Manchmal vermisse ich das Landleben wirklich sehr.“
„Ach! Wie interessant“, murmelte er, ihr tief in die Augen schauend, „ich glaubte, Sie genießen London.“
Unüberlegt erwiderte sie seinen Blick. „Wie kämen Sie zu dieser Vorstellung, Mr. Hawthorne? Sie wissen nichts über mich.“
„Ein wenig schon.“
„Als da wäre?“
Er blickte kurz zu Amy, dann zuckte er die Achseln. „Dass dies nicht Ihre erste Saison ist. Dass Sie vor drei Jahren noch in Trauer waren und danach London zum ersten Mal aufsuchten. Dass der Landsitz Ihrer Familie in Yorkshire liegt.“
Während sie ihn anhörte, dachte sie, dass er all das von seinem Bruder erfahren haben musste, mit dem sie vor zwei Jahren für ganze drei Monate verlobt gewesen war.
„Wie gut Sie informiert sind! Ich hätte angenommen, ich wäre zu langweilig, um das Interesse eines Mannes Ihrer Art zu erregen.“ Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, bereute sie es schon. Als Beleidigung gedacht, klang er doch, als angelte sie nach einem Kompliment. Wie brachte dieser Mann – ohne nur eine schätzenswerte Eigenschaft, die ihn ihr hätte empfehlen können – es zustande, dass sie sich in seiner Gegenwart so verstörend lebendig fühlte?
„Sie haben keine sehr hohe Meinung von mir.“
„Wie wahr.“
„Wie kannst du nur so unhöflich sein, Emma?“ Amy klang empört. „Hätte ich das gesagt, würdest du mir mit Stubenarrest drohen.“
Dankbar nahm Emma die Unterbrechung des Gesprächs hin, das auf Enthüllungen zuzusteuern drohte, und wandte sich lächelnd ihrer Schwester zu. „Vor ein paar Jahren vielleicht noch. Mittlerweile bist du zu alt für solche Maßnahmen.“
„Und dafür danke ich Gott. Zu oft habe ich in den letzten Wochen dieses Funkeln in deinen Augen gesehen, das immer erscheint, wenn du mich maßregeln willst.“
Mit Amy zu plänkeln sorgte dafür, dass Emma sich des Mannes, der ihr gegenübersaß, nicht mehr so verstörend bewusst war. Seine Gegenwart machte ihr mehr zu schaffen, als ihr lieb war.
Charles Hawthorne winkte dem Kutscher, langsamer zu fahren, bis sie mit einer lebhaften dunkelhaarigen, braunäugigen Dame auf gleicher Höhe waren, die ein prächtiges Pferd ritt und im Sattel saß, als ob sie dort geboren wäre.
Harriette Wilson, die berühmte Kurtisane,
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