Emma traut sich was
muss ich mal wieder los. Sonst esse ich noch ein Stück Kuchen und dann platze ich garantiert. Dein Apfelkuchen war mal wieder eine echte Wucht, Gertrud.«
Oma grinste. »Das hättest du nicht extra zu sagen brauchen, immerhin hast du fast das halbe Blech alleine aufgegessen. Schön, dass du vorbeigekommen bist, Rudi. Ich bin ja noch eine Weile hier, schau doch einfach mal wieder rein!«
Papa sah kurz zu Mama hinüber. Sie hatte ganz schmale Lippen. Die bekommt sie immer, wenn ihr etwas nicht passt.
»Vielen Dank«, sagte Papa schließlich. »Aber ich weiß noch nicht genau, ob ich es schaffe ... Hab gerade ziemlich viel zu tun, weißt du ...« Dann kramte er einen Zettel aus seiner Hosentasche und legte ihn auf den Küchentisch. »Ehe ich's vergesse ... ich wollte euch doch noch meine neue Adresse und Telefonnummer geben ...«
»Neue Adresse? Wieso das denn?«, fragte ich und schnappte mir den Zettel.
Pension Müller, Hauptstraße 11, Dederstadt stand in Papas krakeliger Handschrift darauf. Und dann noch eine Telefonnummer.
Ich sah Papa erstaunt an. Jetzt verstand ich gar nichts mehr. »Seit wann wohnst du denn in einer Pension?«
Papa fuhr sich mit der Hand über sein stoppeliges Kinn. »Äh ... na ja, genau genommen erst seit gestern. Ich hab mir dort ein kleines Zimmer genommen. Das ist natürlich nur vorübergehend, bis ich was anderes gefunden habe.«
»Hat dich deine Bekannte etwa rausgeschmissen?«, fragte Mama spitz.
Papa machte sein Zahnschmerzen-Gesicht. »Na ja, so würde ich das nicht sagen ...«, druckste er herum. »Wir haben gemeinsam beschlossen, in Zukunft besser getrennte Wege zu gehen.«
»Ihr seid nicht mehr zusammen?«, fragte ich.
Papa nickte. »So kann man es auch sagen.«
Jetzt war ich erst mal baff. Das waren wirklich gute Neuigkeiten! Wenn Papa nicht mehr mit dieser Carola zusammen war, konnte er sich doch eigentlich endlich wieder mit Mama vertragen und ... Plötzlich hatte ich eine supertolle Idee.
»He, warum ziehst du nicht einfach wieder bei uns ein?«, fragte ich. »Das ist doch viel besser, als in so einer blöden Pension zu wohnen. Und billiger«, fügte ich hinzu, weil ich wusste, dass Papa immer knapp bei Kasse war.
»Weißt du, Emma, das ist alles nicht so einfach ...«, murmelte Papa.
»Warum denn nicht?«, fragte ich. »Du kannst bei Mona und mir auf dem Dachboden schlafen. Wir haben da noch total viel Platz. Und wenn Oma wieder weg ist, ziehst du in die kleine Dachkammer. Dann sind wir endlich wieder alle zusammen! Wäre das nicht toll?« Ich hatte mich richtig in Fahrt geredet. Meine Wangen fühlten sich ganz heiß an und waren bestimmt wieder knallrot (das werden sie blöderweise immer, wenn ich aufgeregt bin). Ich sah die anderen erwartungsvoll an, aber niemand sagte etwas. Papa starrte auf die Tischplatte, Tim machte ein nachdenkliches und Oma ein undurchdringliches Gesicht. Mama hatte immer noch ihre schmalen Strich-Lippen. Das hätte mich eigentlich warnen müssen, aber ich war so begeistert von meiner Idee, dass ich gar nicht darauf achtete. Stattdessen blitzten in meinem Kopf lauter Bilder auf, die so schön waren, dass sie fast wehtaten: Papa mit Mona, Tim und mir beim Federballspielen. Papa, wie er auf meiner Bettkante sitzt und mir Gute Nacht sagt. Wir alle zusammen beim Frühstück ...
Dann erklang Mamas Stimme und die Bilder zerplatzten wie Seifenblasen. »Das kommt gar nicht infrage, Emma.« Plopp! Eine Seifenblase weniger. »Es würde viel zu eng werden mit noch einem Mitbewohner.« Papa – ein Mitbewohner??? Plopp! »Außerdem möchte ich nicht, dass euer Vater wieder hier einzieht. Wir müssen uns erst einmal darüber klar werden, wie es mit uns weitergehen soll. Und ob es überhaupt weitergehen soll. Also schlag dir das bitte wieder aus dem Kopf.« Plopp, plopp, plopp.
Mamas Stimme klang so kalt wie zehn Kühlschränke und ihre Lippen waren so schmal geworden, dass man sie kaum noch erkennen konnte. Sie sah plötzlich ganz fremd aus und ich merkte, wie es in mir zu brodeln begann. Mama wollte Papa einfach wieder wegschicken! Aber das würde ich nicht zulassen. Auf gar keinen Fall! Ich holte tief Luft und wollte Mama gerade ordentlich die Meinung sagen, da schaltete sich Oma ein.
»Aber Rudi könnte doch zumindest abends ab und zu zum Essen vorbeikommen, oder?«, schlug sie vor und lächelte Mama ganz harmlos an. »Damit bist du doch sicher einverstanden, Lia, nicht wahr?« Mama öffnete den Mund und ich sah genau, dass sie kein bisschen
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