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Emma traut sich was

Emma traut sich was

Titel: Emma traut sich was Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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einverstanden war. Aber Oma tat so, als würde sie das nicht mitbekommen. »Die Kinder freuen sich bestimmt, wenn sie ihren Vater wieder regelmäßiger sehen, und Rudi muss nicht ständig im Restaurant essen. Mit dieser Lösung wäre also allen gedient, stimmt's?«
    »Genau!«, rief ich und sah Mama erwartungsvoll an. »Das ist doch eine super Idee, oder?!«
    Mama seufzte. Ich drückte unter dem Tisch so fest die Daumen, dass ich das Gefühl hatte, sie würden gleich abfallen. Dabei versuchte ich, Mama mit meinen Gedanken zu beeinflussen, und schickte einen Gedanken nach dem anderen zu ihr rüber: Sag jetzt bloß nicht nein! Denk an den Waffenstillstand! WAFFENSTILLSTAND! Sag ja, sag ja, sag ja, sag ja!
    »Na gut, von mir aus«, sagte Mama schließlich.
    »Klasse!«, rief ich und sprang auf. »Du kommst doch, oder, Papa? Bei uns gibt's jetzt immer ganz leckeres Vollkorn-Essen. Körner und so was. Das ist total gesund!«
    Papa grinste. »Na, das hört sich ja verlockend an. Wer könnte da schon Nein sagen?!« Er sah Mama an. »Vielen Dank für die Einladung, Lia. Ich komme sehr gerne.«
    Mama nickte nur, aber ihre Lippen waren nicht mehr ganz so schmal.

 
 
6. Kapitel
Das Kussprojekt
     
    ls Papa etwas später wieder auf sein Motorrad stieg, war mir trotz allem zum Heulen zumute. Ich biss so fest die Zähne zusammen, dass mein Kiefer knackte. Das mache ich ganz oft, wenn ich wütend oder traurig bin. Tim sagt, irgendwann fallen mir deswegen bestimmt alle Zähne aus, aber das war mir in diesem Moment schnurzegal. Hauptsache, ich fing jetzt nicht an zu heulen. Schließlich wollte ich nicht, dass Papa mich für ein kleines Heulbaby hielt, das bei jeder Gelegenheit sofort losflennt.
    »Mach's gut, Emma«, sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. »Wir sehen uns dann morgen Abend, okay?«
    Ich nickte. Reden konnte ich gerade nicht, weil mein Hals wie zugeschnürt war. Papa setzte seinen Helm auf, startete das Motorrad und fuhr vom Hof. Bevor er um die Ecke bog, winkte er noch einmal. Ich stellte mir vor, wie er jetzt zurück in seine Pension fuhr. Dort saß er dann mutterseelenallein in seinem kleinen Zimmer und starrte traurig die Wände an.
    Ich sah das alles so deutlich vor mir, als würde ich selbst in dem Pensionszimmer sitzen. Dabei war ich ja in Wirklichkeit noch nie dort gewesen. Wahrscheinlich war das Zimmer gar nicht so klein und sah völlig anders aus, als ich es mir vorstellte. Mama sagt immer, ich hätte genug Fantasie für zwei. Ich weiß nicht so genau, ob das gut oder schlecht ist. Aber normalerweise freue ich mich, wenn sie das sagt. Meistens macht es ja auch total viel Spaß, sich bestimmte Dinge vorzustellen. Wie ich mit Bastian Eis essen gehe und er danach einfach so meine Hand nimmt, zum Beispiel. Oder wie Frau Meiser, unsere Mathelehrerin, vor der Klasse steht und sagt: »Die Schuldirektorin hat beschlossen, dass der Mathematikunterricht ab sofort abgeschafft wird!« Danach jubeln wir dann alle und schmeißen unsere Mathebücher aus dem Fenster.
    In diesem Moment wäre mir etwas weniger Fantasie allerdings lieber gewesen. Denn manche Dinge, die ich mir vorstelle, sind nicht so schön. Sie tun mir weh. Wie das Bild von Papa in seinem Pensionszimmer. Das hätte ich gerne aus meinem Kopf geschmissen wie die Mathebücher aus dem Fenster. Zack – weg damit! Tschüss, auf Nimmerwiedersehen. Aber das klappte leider nicht. Ich sah das Bild immer noch vor mir und schluckte und schluckte, um nicht loszuheulen. Währenddessen schimpfte ich mit mir selbst. Natürlich nur in meinem Kopf. So verrückt, dass ich laut Selbstgespräche führe, bin ich zum Glück noch nicht.
    ›Na los, heul doch!‹, sagte ich zu mir selbst. ›Dann wissen wenigstens alle, dass du ein richtig blödes, kleines Heulbaby bist! Emma ist ein Heulbaby! Emma ist ein Heulbaby!‹ Die Stimme in meinem Kopf klang richtig fies. Mannomann, ich kann wirklich ganz schön gemein sein. Zu anderen bin ich ja auch manchmal ziemlich fies, aber ich glaube, am gemeinsten bin ich immer noch zu mir selbst.
    Mir rollte eine Träne über die Wange. Jetzt hatte ich mich tatsächlich selbst zum Heulen gebracht. Darum sah ich auch nur ganz verschwommen, wie jemand auf einem Fahrrad um die Ecke bog, hinter der Papa gerade mit seinem Motorrad verschwunden war. Der Fahrradfahrer kam näher und winkte. Dann hörte ich eine Stimme.
    »Huhu, Emma!«
    Schnell wischte ich mir mit der Hand über das Gesicht. Jetzt konnte ich wieder klar sehen. Es war Lea,

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