Emma traut sich was
gehen.
8. Kapitel
Emma startet
eine Umfrage
rotzdem – irgendwie ging mir die Sache mit dem Küssen nicht mehr aus dem Kopf. Ich fand es ärgerlich, dass mein erster Kussversuch so dermaßen in die Hose gegangen war.
»Alles in Ordnung mit dir, Emma?«, fragte Oma, als ich bei ihr in der Küche saß und riesengroße Löcher in die Luft starrte. »Du siehst so nachdenklich aus.«
Ich holte tief Luft und platzte heraus: »Oma, wie küsst man eigentlich richtig?«
Das Gute an Oma ist, dass sie nichts so leicht aus der Ruhe bringt. Außerdem stellt sie keine blöden Fragen, wenn man etwas wissen will. Sie zuckte mit keiner Wimper, sondern dachte nur einen Moment nach und sagte dann: »Beim Küssen gibt es kein Richtig oder Falsch. Jeder küsst anders und das ist auch gut so. Eigentlich kann man dabei also gar nichts falsch machen.«
Ich musste daran denken, wie ich Bastians Trommelfell fast zum Platzen gebracht hatte, und glaubte Oma kein Wort. Ich beschloss, ihr erst mal nichts von dem missglückten Kussprojekt zu erzählen – die ganze Sache war mir einfach viel zu peinlich.
»Lea meint, Küssen kann man lernen«, sagte ich. »Stimmt das?«
Oma setzte sich mir gegenüber an den Küchentisch. »Ich hab's dir doch schon gesagt: Küssen braucht man nicht zu lernen. Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, funktioniert das ganz von alleine.«
»Und woher weiß man, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist?«
Oma lächelte geheimnisvoll. »Das merkst du dann schon, glaub mir.«
»Mensch, das hilft mir überhaupt nicht weiter!«, schimpfte ich. »Kannst du nicht etwas genauer antworten?«
»Tut mir Leid«, sagte Oma. »So ist das nun mal mit der Liebe: Da gibt's keine genauen Antworten. Jede neue Liebe bedeutet wieder ein neues Risiko. Aber das ist ja auch gerade das Schöne daran, Emma-Kind.«
Ich seufzte und ging aus der Küche. Warum können Erwachsene eigentlich auf eine einfache, klare Frage nie eine einfache, klare Antwort geben? Manchmal hab ich das Gefühl, je älter man wird, desto mehr Windungen bilden sich im Gehirn. Und irgendwann müssen die Gedanken im Kopf so lange Wege zurücklegen, dass man nur noch verworrenes Zeug von sich gibt. Ich glaube, das geht so ungefähr mit zwanzig los. Furchtbar! Ich bin wirklich froh, dass mein Gehirn noch nicht so viele Windungen hat und ich klar denken kann.
Auf dem Hof stieg Klaus gerade von seinem Mofa. Er machte ein sehr zufriedenes Gesicht und ich wusste jetzt auch, warum. Aber er wusste nicht, dass ich es wusste. Vorhin im Venezia war er so sehr mit Händchenhalten, Nettsein und Küssen beschäftigt gewesen, dass er mich und Bastian gar nicht bemerkt hatte. Und meinen missglückten Kussversuch zum Glück auch nicht. Ich war ein bisschen neidisch, weil für ihn offenbar der richtige Zeitpunkt zum Küssen gekommen war. Und für mich nicht. Was, wenn für mich nie der richtige Zeitpunkt kam? Dann würde ich auf meinen ersten Kuss warten, bis ich schwarz wurde. Vielleicht sollte ich die Sache doch lieber selbst in die Hand nehmen. Auf jeden Fall konnte es nicht schaden, noch ein paar Informationen über das Thema zu sammeln. Oma hatte mich mit ihren verworrenen Antworten ja leider nicht wirklich weitergebracht.
Ich ging schnurstracks auf Klaus zu und fragte: »Wann hast du eigentlich zum ersten Mal ein Mädchen geküsst?«
Klaus sah mich verblüfft an. »Äh ... was? Ein Mädchen geküsst? Ich? Warum willst du das denn wissen?«
»Ich mach gerade eine Umfrage«, behauptete ich. »Für die Schule.«
Zum Glück war Klaus so verwirrt, dass ihm gar nicht auffiel, dass ja gerade Ferien waren.
»Ach so ... ja ... also ... ich glaube, da war ich zwölf oder dreizehn ...«, druckste er herum.
Na also, das war doch mal eine klare Antwort!
»Und wie hast du küssen gelernt?«, fragte ich weiter.
Inzwischen hatte sich Klaus von der ersten Überraschung erholt und grinste mich an. »Küssen muss man doch nicht lernen! Ich jedenfalls nicht«, behauptete er. »Ich bin nämlich ein Naturtalent.«
»Ach ja?«, fragte ich. »Wer sagt das?«
»Da kannst du jede fragen!«
»Wieso – wie viele Mädchen hast du denn schon geküsst?«
Klaus wurde rot. »Das geht dich gar nichts an, du neugierige Kröte! Und jetzt nerv gefälligst jemand anderen mit deinen blöden Fragen, ich hab nämlich zu tun.«
Er schob sein Mofa in den Schuppen und ich sah ihm enttäuscht hinterher. Jetzt hatte ich Klaus mit meinen blöden Kommentaren vertrieben und war immer noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher