Emma und der Rebell
Was ist sie denn – Lehrerin?«
Und nun
begriff Emma endlich, was Steven gedacht hatte – er mußte
Chloe in ihrer > Arbeitskleidung < gesehen haben. Emma straffte die
Schultern, richtete sich in ihrer vollen Größe von einem Meter siebzig auf und
maß ihn mit einem strafenden Blick. »Wenn Sie nicht so schwer verletzt wären«,
sagte sie empört, »hätten Sie jetzt eine Ohrfeige verdient!«
Das
Laudanum begann zu wirken, Mr. Fairfax gähnte. »Sie haben bereits meine
Verbände angezündet und dann auch noch versucht mich totzuschlagen. Im
Vergleich dazu wäre eine Ohrfeige das reinste Streicheln.«
Nun wurde
Emma wirklich wütend. »Keine Angst, Mr. Fairfax«, fuhr sie ihn an. »In Zukunft
werden Sie vor mir sicher sein.«
»Sehr
beruhigend.«
Emma ging
auf die Tür zu, aber aus Pflichtbewußtsein blieb sie noch einmal stehen.
»Brauchen Sie einen Nachttopf?« »Ja«, antwortete Steven kurz.
Emma kehrte
zu Steven zurück und zog einen Nachttopf unter dem Bett hervor, den sie ihm
recht unsanft in die Hände drückte. »Gute Nacht, Mr. Fairfax«, sagte sie,
löschte die Petroleumlampe und verließ den Raum.
Steven biß
vor Schmerz die Zähne zusammen, als er den Topf auf den Fußboden stellte. Dann
ließ er sich erschöpft in die Kissen sinken.
Emma.
Er
lächelte, als ihm bewußt wurde, wie dumm er sich verhalten hatte. Chloes wegen
hatte er geglaubt, sich in einem Bordell zu befinden, und Emma für eines ihrer
Mädchen gehalten. Aber das war nicht der Fall, Emma war Bibliothekarin, und
Steven hatte sogar den Eindruck, daß sie noch unberührt war.
Darüber war
er froh, obwohl ein Teil seines Wesens jetzt gern den zärtlichen Trost einer
Hure in Anspruch genommen hätte.
Mit
geschlossenen Augen rief er sich ins Gedächtnis, wie sie ihn gewaschen hatte,
und stellte zu seiner Verblüffung fest, daß schon der bloße Gedanken daran eine
starke Erregung in ihm auslöste.
Er war
überrascht, als sich die Tür einen Spalt breit öffnete und er Emmas Stimme
hört. »Mr. Fairfax ...?«
»Ja?« »Ich ... ich wollte Sie nur fragen,
ob Sie Schmerzen haben.« »Ja«, gab er ehrlich zu.
Der schmale
Spalt, durch den das Licht fiel, verbreiterte sich. »Hat das Laudanum nicht
geholfen?«
Emmas
Besorgnis rührte Steven, und so sagte er wahrheitsgemäß. »Es hat noch keine
Zeit gehabt zu wirken, Miss Emma.«
Nun kam sie
herein, diesmal mit einer Petroleumlampe, und Steven wurde ganz übel bei der
Vorstellung, was sie damit alles anrichten könnte.
Aber sie
stellte die Lampe auf den Nachttisch und setzte sich auf einen Stuhl. Steven
sah, daß sie ein Buch in der Hand hielt.
»Es tut mir
leid, daß ich vorhin so unfreundlich war«, sagte sie schüchtern.
Steven
mußte lachen, als er ihre ernste Miene sah, und dachte, daß er zu gern die
Wildkatze in ihr geweckt hätte, die mit Sicherheit in ihr steckte und die sie
vor der Welt und vielleicht sogar vor sich selbst verbarg.
»Mir tut
auch leid, was ich gesagt habe«, entgegnete er, bemüht, seine Belustigung zu
verbergen.
»Ich
dachte, Sie möchten vielleicht, daß ich Ihnen etwas vorlese.«
Steven
unterdrückte ein Schmunzeln. »Das ist sehr nett von Ihnen, Miss Emma. Was haben
Sie mir als Lektüre mitgebracht?«
Der
Lampenschein fiel auf ihre offenen, klaren Züge, ihre sanfte Stimme klang warm
und ein bißchen heiser, und für einen flüchtigen Moment wünschte Steven, er
hätte mit seinem ersten Urteil über sie rechtbehalten ..
»Little
Women – mein
Lieblingsbuch«, erwiderte sie lächelnd. »Ich habe es schon unzählige Male
gelesen.«
Steven
hatte von dem Buch gehört, aber es hatte ihn nie interessiert. Natürlich sagte
er nichts dergleichen, denn er merkte allmählich, daß Emma sehr verwundbar war,
und wollte sie nicht verletzen. »Warum gefällt es Ihnen so gut?« fragte er.
Sie schien
zu überlegen. »Vielleicht, weil es von vier Schwestern handelt«, sagte sie
dann leise. »Meg, Amy, Jo und Beth.«
Klingt
wirklich ungeheuer aufregend, dachte Steven, aber er behielt seinen Spott für
sich. Selbst wenn er kein Interesse für irgendwelche > Kleinen < Frauen aufbringen konnte, wollte er doch Emmas Stimme
hören.
Sie schlug
das abgegriffene Buch auf, räusperte sich und begann ihm vorzulesen.
»Ich habe
noch nie jemanden gekannt, der seine Mutter > Marmee < nannte«, warf Steven
ein, als Emma das erste Kapitel beendet hatte und für einen Moment schwieg.
»Das ist im
Osten nichts Ungewöhnliches«, erwiderte sie.
Steven
nickte. Auch er selbst
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