Emma und der Rebell
Morgenmantel über und eilte an Macons Seite,
um neben ihm niederzuknien. Jetzt, wo er sie brauchte, waren seine Angriffe
vergessen; Emma hatte keinen
anderen Gedanken mehr, als ihn am Leben zu erhalten. »Nathaniel, lauf und hol
den Arzt – schnell!«
Der Junge
stand wachsbleich in der Tür, die Pistole noch in der Hand und rührte sich
nicht.
»Nathaniel!«
schrie Emma, doch da stürzten schon drei Dienstboten an ihm vorbei ins Zimmer,
was seine Lähmung zu brechen schien. Er ließ die Waffe fallen und trat näher.
»Ist er
tot?«
Emma und
Jubal drehten Macon vorsichtig auf den Rücken. Er atmete, war aber bewußtlos,
und sein Hemd war so mit Blut durchtränkt, daß nicht festzustellen war, wo sich
die Wunde befand.
»Nein«,
sagte Emma erleichtert. »Geh jetzt und hol den Arzt, Nathaniel! Sofort.«
Er nickte,
drehte sich um und lief aus dem Raum.
Emmas
Finger waren klebrig von Macons Blut, während sie sein Hemd aufknöpfte und nach
der Wunde suchte. Die Kugel war hoch an seiner rechten Brustseite eingedrungen;
einen Zentimeter oder zwei unter dem Schlüsselbein.
Macon
stöhnte.
»Laßt uns
ihn auf das Bett heben«, sagte Emma und zog ihn mit Jubal und einer anderen
Frau auf die Beine, um ihn dann auf das Bett zu legen, wohin sie ihn halb
trugen, halb schleiften.
»Er blutet
wie ein abgestochenes Schwein«, jammerte Jubal.
Emma preßte
drei Finger auf den Puls, der seiner Wunde am nächsten war, und zu ihrer
Erleichterung verringerte sich der stetige Strom des Blutes, bis es nur noch
aus der Wunde sickerte. »Holt heißes Wasser«, rief sie den Dienstboten zu.
Im Verlauf
der nächsten Stunde gelang es Emma und Jubal, die Blutung ganz zu stoppen,
Macon ein wenig zu säubern und seine Wunde zu verbinden. Aber trotz allem
erlangte er das Bewußtsein nicht zurück.
Eine
weitere Stunde verstrich, bevor der Arzt eintraf. Als Emma ihm in der Halle
entgegenkam, mit offenem Haar und nur mit einem blutbefleckten Morgenrock
bekleidet, starrte er sie verwundert an.
»Ich bin
nicht verletzt«, beruhigte sie ihn rasch und fragte sich, was Nathaniel ihm
erzählt haben mochte – falls der Junge überhaupt etwas gesagt hatte.
Der
korpulente alte Herr mit dem schneeweißen Haar folgte Emma in das Zimmer, wo
Macon leichenblaß auf dem Bett lag. »Was ist passiert?« fragte der Arzt,
während er schon seine Tasche öffnete und ein Stethoskop herausnahm.
Er beugte
sich über Macon und lauschte gleichzeitig auf dessen Herzschlag und Emmas
Erklärung. Bei der Beschreibung von Macons Angriff verhedderte sie sich; alles
kam ihr nun äußerst unwirklich vor.
»Ich wußte
nicht, was ich hier vorfinden würde, als ich kam«, bemerkte der Arzt, als Emma
ihre Erzählung beendet hatte. »Der Junge war außer sich. Er sagte, es hätte ein
Mord stattgefunden.«
Emma sagte
nichts, während er den Verband abnahm, die Schußwunde desinfizierte und sie von
neuem verband.
»Wer diese
Wunde behandelt hat, kann verdammt gut mit Verletzungen umgehen«, meinte der
Arzt anerkennend zu Emma. »Haben Sie sich darum gekümmert?«
Emmas Kehle
war wie zugeschnürt, und plötzlich wurde sie von dem perversen Wunsch erfaßt,
über die Ironie der Situation zu lachen. Um Steven zu retten, den Mann, den
sie über alles liebte, konnte sie nicht das geringste tun, doch Macon, ihrem
schlimmsten Feind, hatte sie das Leben bewahrt ... »Jubal hat mir geholfen«,
erwiderte sie bescheiden.
Der Arzt
schaute sie über den Rand seiner Brille an. »Sie sind Stevens junge Frau, nicht
wahr? Man sollte meinen, Sie wären bei ihm, bei seinem Prozeß. Aber na ja,
Macon war schon immer sehr erfolgreich bei den Damen.«
Emma griff
sich an die Kehle, als ihr die Bedeutung seiner Worte zu Bewußtsein kam, und
errötete vor Zorn, aber trotz ihrer Empörung gelang es ihr, ruhig und mit
kühler Würde zu entgegnen: »Es mag sein, daß Macon > erfolgreich bei den
Damen ist < , Doktor, aber diese Dame hier liebt ihren Mann. Ich
habe nichts getan, um die Avancen meines Schwagers herauszufordern.«
Der alte
Mann musterte sie prüfend, dann lächelte er schwach. »Verzeihen Sie mir, Mrs.
Fairfax«, antwortete er. »Ich fand es nur
merkwürdig, daß Sie hier in Fairhaven sind statt im Gerichtssaal, wo sich halb
New Orleans eingefunden hat. Nicht einmal die Gelbfieberepidemie hat die Leute
davon abgeschreckt, an diesem Prozeß teilzunehmen.«
Emma hatte
nicht die Absicht, ihm irgend etwas zu erklären, das war sie diesem dreisten
alten Mann auch gar nicht schuldig. Aber
Weitere Kostenlose Bücher