Emma und der Rebell
auf. »Den Sheriff? Sie werden Nathaniel doch nicht
verhaften? Um Gottes willen, Steven, er ist doch noch ein halbes Kind!«
Steven legte
ihr einen Finger auf die Lippen. »Bisher ist noch keine Rede davon, daß jemand
verhaftet wird. Aber der Sheriff muß solche Vorfälle prüfen, Emma. Wir können
nicht einfach sagen: > Jemand ist in Fairhaven angeschossen worden – aber
keine Sorge, wir kümmern uns schon selbst darum. < «
Emma
nickte, wenn auch widerstrebend.
Steven
lächelte bitter. »Wenn ich nicht im Gerichtssaal gewesen wäre, des Mordes
angeklagt, hätten sie bestimmt versucht, mir auch dafür die Schuld in die
Schuhe zu schieben.«
Emma legte
ihm die Hände auf die Schultern, lehnte ihre Stirn an seine und seufzte schwer.
Sie wollte ihm gerade sagen, daß sie ihn liebte, als sie auf einmal spürte, daß
noch jemand im Raum war.
Es war
Lucy, die mit leichenblassem Gesicht und großen Augen in der Tür stand. »Was
ist geschehen?« fragte sie und starrte Emma an, als sei Steven gar nicht
vorhanden. »Jubal sagte, er sei bei dir gewesen – und jetzt liegt er halbtot in
deinem Bett. Was ist passiert?«
Steven
stand auf, ging zu Lucy und führte sie behutsam zu einem Stuhl am Bett.
Emma
schaute zu ihrem Mann auf und verlor jeglichen Mut. Steven stand hinter Emmas
Stuhl, beobachtete sie, wie ihre Schwägerin es tat, und Emma fühlte sich auf
schreckliche Weise allein. »Macon wollte ... er wollte sich mir aufzwingen«,
brachte sie schließlich mühsam heraus. »Nathaniel kam mir zu Hilfe. Er hatte
eine Waffe. Macon nahm ihn nicht ernst – er sagte, er würde ihm die
Reitpeitsche zu spüren geben ... Er ging auf Nathaniel zu, und ... ein Schuß
löste sich aus der Waffe.«
Lange Zeit
saß Lucy nur da, starrte auf ihre Hände, die zuckend in ihrem Schoß lagen, dann
wieder auf Emmas Gesicht. Schließlich gab sie ein heiseres Schluchzen von sich
und schlang beide Arme um sich, als müßte sie ihre Glieder gewaltsam
zusammenhalten.
»Es tut mir
so leid, Lucy«, sagte Emma, die selbst den Tränen nahe war.
Lucy
weinte, schluchzte und heulte schrill, und Steven lief hinaus, um kurz darauf
mit einer braunen Flasche und einem Glas zurückzukehren. Er schenkte etwas von
der bernsteinfarbenen Flüssigkeit für Lucy ein, und sie trank sie gierig.
»Was ist
das?« fragte Emma, als Lucys Schluchzen ein wenig nachgelassen hatte.
»Laudanum«,
antwortete Steven. Er half Lucy aufzustehen und begleitete sie bis zur Tür, wo
ein Dienstmädchen auf seine Herrin wartete.
»Nimmt sie
das oft?« fragte Emma mit einem angewiderten Blick auf die braune Flasche.
Steven
schraubte sie seufzend zu. »Seit ich sie kenne«, erwiderte er. »Die Arme ist
in ihrer Ehe mit meinem Bruder nicht gerade auf Rosen gebettet.«
Seine Worte
weckten in Emma die Erinnerung an jenen Tag, an dem Steven sie mitten auf einem
Margeritenfeld geliebt hatte, und plötzlich sehnte sie sich in diese Zeit
zurück, als sie noch keine Probleme hatten. »Halt mich fest«, bat sie ihn leise.
Er schloß
die Tür, zog seinen Rock und seine Stiefel aus und legte sich neben sie aufs
Bett. Er trug Hosenträger, und Emma zog daran und ließ sie spielerisch
zurückschnappen, obwohl sie das Gefühl hatte, daß sie jeden Augenblick in
Tränen ausbrechen würde.
Er lächelte
und küßte sie auf die Nasenspitze, während er eine Hand auf ihre nackte Hüfte
legte. »Es wird Zeit, daß dieses alte Haus wieder ein bißchen Freude
kennenlernt, nicht wahr?«
Emma
nickte. »Dein Vater und Macons Mutter – waren sie glücklich?«
Steven
zuckte mit den Schultern. »Alles, woran ich mich erinnere in bezug auf meinen
Vater, ist, daß er mir immer Süßigkeiten mitbrachte, wenn er kam, und daß er
meine Mutter anbetete. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, daß er sich
eine Mätresse gehalten hätte, wenn er seine Frau geliebt hätte.«
»Und Cyrus
und seine Frau?«
Steven
grinste. »Ja, ich glaube, daß die beiden glücklich waren. Granddaddys Augen
leuchten heute noch auf, wenn er von Louelle spricht, und er hat mir einmal
anvertraut, daß er ihr niemals untreu gewesen ist.«
Emma
befeuchtete mit der Zungenspitze ihre Lippen und schaute ihren Mann aus großen,
müden Augen an. »Würdest du dir eine Mätresse nehmen?«
Steven
küßte sie zärtlich und löste damit – trotz allem, was an diesem Tag geschehen
war – ein drängendes Verlangen in ihr aus. »Nie«, antwortete er mit einer
solchen Überzeugung, daß Emma sofort beruhigt war. »Du gibst mir alles,
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