Emma und der Rebell
Brust. »War sie schon immer so
seltsam – ich meine, trug sie auch früher schon schwarze Kleider und spielte
mit Puppen?«
»Nein«,
antwortete er. »Als ich Lucy anfangs kannte, war sie voller Lebensfreude,
lachte viel und kleidete sich nur nach der neuesten Mode. Was immer ihr Problem
sein mag, du kannst sicher sein, daß Macon die Wurzel ihres Übels ist.«
Emma nickte
und hätte Steven gern gefragt, ob er eine Flucht für möglich hielt, aber sie
befürchtete, damit zu verraten, daß sie an Cyrus' Tür gelauscht hatte. So
schmiegte sie sich nur still an ihn, legte ihren Kopf an seine Schulter und
ließ ihre Finger streichelnd über seine Brust und seinen Bauch gleiten.
»Hast du
Angst?« wagte sie schließlich doch zu fragen.
»Ich wäre
ein verdammter Narr, wenn ich keine Angst hätte«, erwiderte Steven, und ein
leises Stöhnen entrang sich seinen Lippen, als Emmas Hand noch tiefer glitt. Er
hielt sie fest. »Du kleine Hexe – hast du beim ersten Mal noch nicht genug
gehabt?«
Sie
schüttelte den Kopf, und er drehte sich zu ihr um, küßte sie und zog sie auf
seine Schenkel. Emma stieß einen lustvollen kleinen Schrei aus, als sie ihn in
sich eindringen fühlte, und sie bewegte sich wild und hemmungslos auf ihm, bis
beide erschöpft und außer Atem waren und ermattet in die Kissen zurücksanken.
Steven
schlief ein, aber Emma fand keine Ruhe. Sie lag im Dunkeln neben ihm und hielt
ihn in den Armen. Sie wußte, daß ihre Zeit bald abgelaufen war, und trotzdem
schien Steven fest entschlossen, nicht zu fliehen, selbst wenn es seinen Tod
bedeuten sollte. Emma sah ein, daß nur eins ihn jetzt noch retten konnte: Sie
mußte selbst einen Weg finden, seine Unschuld zu beweisen. So schnell wie
möglich.
Sie
verdächtigte Macon jetzt mehr denn je zuvor, den Mord an Mary McCall begangen
zu haben, nachdem sie selbst erlebt hatte, wie brutal und rücksichtslos er sein
konnte. Doch trotz allem war sie überzeugt, daß der Schlüssel zu dem Geheimnis
bei Maisie Lee Simpson lag, die ihren Mann zu sehr fürchtete, um auszusagen,
was sie wußte.
Irgendwann
schlief Emma ein, und dann kam – viel zu früh – der Morgen.
»Ich
möchte, daß du hierbleibst«, sagte Steven, der vor der Kommode stand und seine
Krawatte band. Er hatte schon gebadet und trug einen frischen Anzug.
Emma wollte
heftig widersprechen, aber Stevens Blick ließ sie verstummen. Sie legte sich
wieder hin und verschränkte ärgerlich die Arme. »Ich bin nicht krank«,
antwortete sie, aber noch während sie sprach, wurde sie von einer solchen
Übelkeit erfaßt, daß sie nach der Waschschüssel greifen mußte.
Steven
hielt ihr langes Haar zurück, als sie sich übergab, und brachte ihr einen
nassen Lappen und kühles Wasser, um ihren Mund zu spülen. Während die
allgegenwärtige Jubal die Schüssel hinausbrachte, deckte Steven Emma zu und
küßte sie zärtlich auf die Stirn.
»Ich habe
nicht das Fieber, Steven«, beharrte Emma, obwohl sie sich so schwach fühlte,
daß sie kaum noch sprechen konnte. »Wahrscheinlich bin ich nur schwanger. Du
brauchst mich bei dem Prozeß ...«
»Was ich
brauche, ist die Sicherheit, daß es dir gutgeht«, fiel Steven ihr ins Wort und
strich ihr sanft das Haar aus der Stirn. »Bitte, Emma – wenn du mich liebst,
bleib hier. Ich will mich nicht um dich sorgen müssen.«
Ihre Augen
füllten sich mit Tränen, als sie zu ihm aufsah. »Ich liebe dich so sehr, Steven
...«
»Und ich
liebe dich«, erwiderte er und küßte sie noch einmal. Dann war er fort.
Obwohl sie
damit gerechnet hatte, vor Sorge über die heutige Verhandlung keine Ruhe mehr
zu finden, schlief sie schon kurz nach Stevens Weggehen wieder ein. Als sie
erwachte, mußten mehrere Stunden vergangen sein, denn die Sonne stand schon
hoch am Himmel.
Emma stand
auf, wusch ihr Gesicht, putzte die Zähne und flocht das lange Haar zu einem
Zopf. Sämtliche Anzeichen von Übelkeit waren verflogen, und sie fühlte sich
stark und von wilder Entschlossenheit erfüllt, als sie das neue geblümte Kleid
anzog, das Jubal für sie zurechtgelegt hatte. Sie würde Maisie Lee Simpson
heute noch einmal aufsuchen und die Frau – ganz gleich, was dazu erforderlich
sein mochte – dazu bringen, ihr zu sagen, was sie vor ihr verbarg.
Die Tür zu
Lucys Zimmer stand offen, aber ihre Schwägerin war nirgendwo zu sehen. Sie saß
auch nicht an Macons Bett oder unten beim Frühstück. In der Vermutung, daß Lucy
mit Steven und Cyrus zum Gericht gefahren war, setzte Emma sich an
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