Emma und der Rebell
den langen
Tisch im Speisezimmer und zwang sich, den Toast zu essen und den schwachen Tee
zu trinken, den Jubal ihr aufdrängte.
Nach dem
Frühstück bat sie um eine Kutsche.
»Sie dürfen
nicht ausgehen, Miss Emma«, protestierte Jubal. »Mr. Steven hat gesagt, daß er
es nicht will. Er hat befohlen, daß Sie hierbleiben, wo Jubal sich um Sie
kümmern kann.«
Emma
kränkte das sympathische Dienstmädchen nicht gern, aber es stand zuviel auf dem
Spiel, als daß sie hätte im Haus herumsitzen und darauf warten können, daß das
Todesurteil gegen ihren Mann verkündet wurde. Sie mußte einfach etwas
unternehmen.
Als Jubal
für einen Moment hinausging, schlich Emma sich hinter das Haus und schickte
eins der Kinder, die dort spielten, in den Stall.
Ebel, der
Kutscher – ein älterer schwarzer Mann mit gutmütigen dunklen Augen – kam zu
ihr und drehte nervös seine Mütze in
der Hand. »Es tut mir leid, Miss Emma«, sagte er, »aber Mr. Steven hat gesagt,
Sie dürfen keine Kutsche haben. Und auch kein Pferd.«
Zutiefst
verärgert und entmutigt schickte Emma Ebel fort und ging in die Küche, wo Jubal
und ein halbes Dutzend anderer Hausangestellte mit den Vorbereitungen für das
Essen beschäftigt waren. Da Emma sich jedoch wie ein Eindringling vorkam,
verließ sie die Küche bald wieder und begab sich in den Garten.
Sie war
nach wie vor fest entschlossen, Maisie Lee aufzusuchen, aber zu Fuß in die
Stadt zu gehen, war ausgeschlossen. Miss Astoria McCalls Haus lag meilenweit
von Fairhaven entfernt, und es war anzunehmen, daß Maisie Lee dort arbeitete.
Wütend nahm
Emma sich vor, Steven ihre Meinung zu sagen, wenn er nach Hause kam. Sie war
keine Frau, die sich im Haus einsperren ließ ...
Als sie
über den Rasen schlenderte, kam ihr plötzlich eine Idee. Mit einem lauten,
dramatischen Schrei preßte sie beide Hände auf den Bauch und sank stöhnend in
die Knie, wobei sie hoffte, keine Grasflecken auf ihr neues helles Kleid zu
machen.
Sofort war
sie von besorgten Kindern umringt, aber sie hatte ein schlechtes Gewissen
dabei, die Kleinen auf diese Weise zu erschrecken. Doch eine andere Alternative
gab es nicht, wenn sie ihren Plan ausführen wollte. Als sie Jubal, die eines
der kleinen Mädchen herbeigerufen hatte, kommen sah, stöhnte Emma ganz
erbärmlich.
Die Angst,
die sich auf Jubals Zügen abmalte, verstärkte Emmas schlechtes Gewissen noch,
aber sie hörte nicht auf zu stöhnen und ihren Bauch zu halten. »Ich brauche
einen Arzt«, murmelte sie.
Jubal
wandte sich an einen kleinen Jungen. »Geh und sag Ebel Bescheid!« trug sie ihm
auf. »Er soll sofort den Arzt für Miss Emma holen!«
Emma
richtete sich mit gequälter Miene auf und legte stöhnend eine Hand auf ihre
Stirn. Sie war froh, daß Steven nicht da war; er hätte ihren Auftritt
durchschaut. »Nein – ich kann nicht warten«, jammerte sie. »Er soll mich zum
Arzt bringen.«
Und so
mißachtete der arme Ebel unwissentlich Mr. Stevens Anweisungen
und fuhr die Kutsche vor, um Miss Emma in die Stadt zu bringen. Als sie vor der
Praxis hielten, die sich mitten im Zentrum befand, ließ Emma sich von Ebel beim
Aussteigen helfen und lief dann rasch, ihre Röcke raffend, auf eine nahe
Mietkutsche zu.
Als Ebel
bewußt wurde, was sie vorhatte und er ihr nachlief und sie anflehte,
zurückzukommen, setzte die Kutsche sich schon in Bewegung.
Das Glück
schien Emma hold zu sein. Als sie Miss Astorias Haus erreichte, war Maisie Lee allein.
Emma fand sie im Garten hinter dem Haus, wo sie Wäsche aufhängte. Maisie Lee
bedachte Emma mit einem ärgerlichen Blick und versuchte, sie nicht zu beachten,
aber ihre Hände zitterten, als sie eine weiße Spitzenhose an der Leine
befestigte.
Emma hörte
eine Kutsche über das Kopfsteinpflaster rumpeln und sie hinter ihrer
Mietkutsche anhalten. Ebel mußte ihr gefolgt sein und es war nicht
vorauszusagen, wie weit er gehen würde, um > Mr. Stevens < Anweisungen zu
befolgen. So sagte sie rasch: »Maisie Lee, Sie werden mir jetzt sagen, wen Sie
schützen! Wer war in jener Nacht in diesem Haus?«
Jetzt
schaute Maisie Lee sie endlich an, aber der Trotz in ihrem Blick war
ungebrochen. »Gehen Sie fort«, zischte sie. »Ich sage nichts. Jethro würde mir
den Kopf einschlagen, wenn ich etwas verraten würde.«
»Wollen Sie
ihr Gewissen mit dem Tod eines Menschen belasten?« entgegnete Emma betroffen.
»Würden Sie wirklich zulassen, daß ein Mann am Galgen endet, von dem Sie wissen, daß er unschuldig ist?«
»Ich habe
Miss
Weitere Kostenlose Bücher