Emma und der Rebell
Das Atmen bereitete ihr Schwierigkeiten, aber noch schwerer
fiel es ihr, nicht verstohlen zu Steven hinüberzuschauen. »Mama hat sich nie um
uns gekümmert, weder um meine Schwestern noch um mich. Warum sollte ich
behaupten, sie sei ein guter Mensch, wenn sie es nicht ist?«
Steven
seufzte. »Emma.«
»Ja?«
»Ich
brauche Hilfe.«
Emma
schwieg bestürzt, dann fragte sie: »Wozu?«
»Ich kann
mir nicht selbst den Rücken waschen. Oder das Haar.«
Emma schloß
die Augen, drehte sich um und tastete sich zur Badewanne vor. Als sie mit dem
Knie gegen ihren harten Rand stieß, riß sie mit einem Schmerzensschrei die
Augen auf.
Steven
schaute schmunzelnd zu ihr auf. Zwar hatte er seine intimste Körperstelle mit
einem Waschlappen bedeckt, aber der Rest seines Körpers war in seiner ganzen
männlichen Pracht zu sehen.
Mit der
Absicht, die ganze Sache so schnell wie möglich hinter sich zu bringen,
krempelte Emma die Ärmel auf und kniete sich neben die Wanne. Bemüht, nicht
darüber nachzudenken, was sie tat, schrubbte sie Stevens Rücken und seifte sein
etwas zu langes Haar ein, das sich weich wie Seide anfühlte.
»Die
Bandage um ihre Rippen ist naß.«
Steven
lehnte sich seufzend zurück. »Egal«, murmelte er und lächelte zufrieden. »Gott,
wie gut das tut!«
»Ich
wünschte, Sie würden nicht wegen jeder Kleinigkeit Gottes Namen in den Mund
nehmen«, tadelte Emma.
»Der Mann,
dem der Morgenrock gehört – hat er vielleicht zufällig auch ein Kistchen
Zigarren hier im Haus?«
Tatsächlich
sorgte Chloe stets dafür, daß Big John bei seinen Besuchen Zigarren vorfand,
aber Emma war es leid, das Dienstmädchen zu spielen. Sie mußte in ihre
Bibliothek zurück, hatte Hunger und wurde von den merkwürdigsten Empfindungen
gequält.
»Nein«,
sagte sie rasch. »Wir haben hier keine Zigarren.«
Steven zog
mit dem Zeh den Stöpsel aus der Wanne. »Sie drehen sich jetzt besser um, Emma.
Ich werde aufstehen, das heißt, falls es mir gelingt.«
Sie
gehorchte und hoffte, daß sie ihm nicht zu helfen brauchte.
»Ich
schaffe es nicht«, knurrte er schließlich verärgert. »Sie müssen mir helfen.«
»Ach, du
meine Güte«, murmelte Emma bestürzt, aber sie sah ein, daß sie ihn nicht ewig
in der Wanne sitzen lassen konnte. Mit geschlossenen Augen legte sie ihre Arme
unter Stevens Achselhöhlen und versuchte, ihn auf die Beine zu ziehen.
Es war
nicht leicht, aber schließlich schafften sie es, und Emma beeilte sich, den
Morgenrock zu holen.
Sie hatten
gerade ihren anstrengenden Aufstieg in den ersten Stock begonnen, als Dr.
Waverley an das Glas der Eingangstür klopfte.
Noch nie
war Emma so froh gewesen, jemanden zu sehen. »Guten Tag«, sagte der Arzt
heiter, als er hereinkam. »Haben Sie unseren Patienten gebadet?«
Emma
errötete. »Ich habe ihm geholfen, die Treppen hinabzusteigen«, wich sie aus.
»Lügnerin«,
flüsterte Steven ihr zu, und sein warmer Atem streichelte ihr Ohr.
»Seine
Bandage ist naß«, fuhr Emma fort, und sie fand selbst, daß ihre Stimme
unnatürlich laut klang.
»Dann
wechsele ich sie«, sagte Doc Waverley und übernahm Emmas Platz an Stevens
Seite.
»Ich
beziehe sein Bett, während Sie ihn nach oben bringen«, rief Emma, die rasch
weitergegangen war, dem Arzt zu.
Sie war
schon fertig, als Steven blaß vor Erschöpfung in sein Zimmer kam. Aber er lächelte,
als er sie von dem frischgemachten Bett zurücktreten sah.
»Danke«,
meinte er leise.
»Ich
glaube, wir könnten jetzt beide einen Schluck Whiskey vertragen«, sagte der
Arzt und zog eine Flasche aus seinem Arztkoffer.
Kopfschüttelnd
sammelte Emma die schmutzigen Laken ein und ging dann hinaus. Als sie
zurückkehrte, hatte sie ihr feucht gewordenes blaues Taftkleid gegen ein
anderes aus schwarzem Satin vertauscht.
Der Arzt
befestigte gerade die neue Bandage um Stevens Rippen. »So gut wie neu«, prahlte
der alte Mann.
»Nicht
ganz«, entgegnete Steven mit einer Grimasse und ließ sich auf das Kissen
zurücksinken.
»Brauchen
Sie noch etwas, bevor ich in die Bibliothek gehe, Mr. Fairfax?« fragte Emma.
»Nein,
vielen Dank, Miss Emma«, antwortete er müde und schloß die Augen.
Als sie ihn
so blaß und erschöpft von der Anstrengung in den Kissen liegen sah, tat er ihr
leid. »Ich lese Ihnen heute abend wieder etwas vor, wenn Sie möchten«, sagte
sie, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, ob der Arzt es in der Stadt
herumerzählen würde oder nicht.
»Das wäre
... schön«, erwiderte Steven. Noch einmal glitt
Weitere Kostenlose Bücher