Emma und der Rebell
beherrschte, war Steven so müde, daß er dann
doch einschlief.
Und wie so
oft in seinen Träumen, fand er sich in Louisiana wieder. Es war früher Morgen,
und er stand auf einer grasbewachsenen Lichtung, die in kühlen Morgennebel
getaucht war, und hielt eine Duellpistole in der Hand. Sein Gegner war Macons
unehelicher Sohn Dirk.
»Nein!«
protestierte Steven laut, aber das Wort beendete den Alptraum nicht. Er spürte
den Pistolenschaft in seiner Hand und die weiche, feuchte Erde unter seinen
Stiefelsohlen. All seine Sinne waren in höchstem Maße angespannt.
Dirk war
mit seinen knapp zwanzig Jahren nicht älter als Steven selbst. Klein,
schwarzhaarig, dunkeläugig und jähzornig wie sein Vater, war er schon seit
langem eifersüchtig auf Stevens enge Beziehung zu Cyrus. Die Pistole bebte in
seiner Hand, als er sie abfeuerte, und wilder Haß verzerrte sein Gesicht.
Der Schuß
ging weit an Steven vorbei und schlug in einen Baumstamm am Ende der Lichtung
ein.
»Los!«
kreischte Dirk wie ein Wahnsinniger. »Erschieß mich!«
Steven
schüttelte den Kopf. »Geh, Dirk«, sagte er ruhig. »Wir werden es vergessen.«
»Nie!«
schwor Dirk, als sein Sekundant ihm die zweite Pistole reichte. »Ich habe Mary
geliebt, und das hast du – verdammt noch mal – gewußt, du heimtückischer
Bastard! Und trotzdem hast du sie verführt!«
Keine
Erklärung, kein noch so heftiges Abstreiten hätten Dirk davon überzeugen
können, daß Mary zu Steven ins Bett geklettert war, als er schon schlief. Er
hatte nicht einmal gemerkt, daß sie da war, bis Dirk am nächsten Morgen hereinstürzte
und eine Erklärung forderte.
Als Steven
jetzt die zweite Duellpistole in Dirks Hand sah, ahnte er, daß er nicht schon
wieder damit rechnen konnte, unverletzt zu bleiben. Grimmig hob er seine eigene
Waffe und schoß seinen Neffen in die Schulter.
Dirk
stürzte auf den Boden, einen Schrei des Schmerzes und der Überraschung auf den
Lippen, und ein roter Fleck breitete sich auf seinem weißen Hemd aus.
Steven
übergab die Pistole seinem Sekundanten und näherte sich dem Sohn seines Bruder,
der sich auf der Erde krümmte. Ein Arzt, ein Fremder in einem dunklen Mantel
und einem Biberfellhut, schnitt bereits den blutdurchtränkten Stoff über der
Wunde.
»Warum hast
du nicht auf mich gehört?« fragte Steven rauh.
Dirk war
schon halb bewußtlos, aber er spuckte Steven noch einmal an, bevor er die Augen
schloß und sein Gesicht wachsbleich wurde.
Steven
spürte starke Hände auf seinen Schultern und drehte sich zu Garrick Wright um,
seinem besten Freund und Sekundanten. »Laß uns gehen«, sagte Garrick sanft.
»Es ist vorbei.«
Widerstrebend
richtete Steven sich auf. »Wird er wieder in Ordnung kommen?« fragte er besorgt
den Arzt.
Der alte
Mann schaute grimmig zu Steven auf. »Männer wie Dirk kommen nie > in
Ordnung« < , entgegnete er. »Sie geben sich nicht zufrieden, bis sie die ganze
Welt herausgefordert haben und ihren eigenen Tod bewirken.«
Steven
schluckte betroffen. »Dann muß er also sterben?« »Nein, diesmal nicht«,
erwiderte der Arzt.
Und Steven
wandte sich ab und ging, aber nur, um den Traum von neuem zu beginnen. Er
wiederholte sich immer wieder, eine Nacht lang oder hundert Nächte lang, ganz,
wie es seiner Erinnerung beliebte.
8
Emma
summte vor sich
hin, als sie den Saum ihres neuen Ballkleids nähte. Es war ein kühler Abend,
deshalb brannte ein Feuer im Kamin, und eine Tasse heißen, süßen Tees stand
neben ihr. Ein lautes Klopfen an der Tür riß sie aus ihrer Versunkenheit, und
sie versteifte sich instinktiv, während Daisy zur Tür ging, um sie zu öffnen.
»Da ist
jemand, der Sie sehen will«, Miss Emma, erklärte die Haushälterin ungewöhnlich
heiter.
Emmas
Herzschlag stockte für einen Moment, als sie aufstand und Steven eintreten
sah, den Gurt mit dem Colt tief auf den Hüften.
»Hallo,
Emma«, sagte er lächelnd, als sie vor Überraschung kein Wort über die Lippen
brachte.
Sie sank
auf ihren Sessel zurück, und Steven trat ans Feuer.
»Diese
Farbe wird dir sehr gut stehen«, bemerkte er mit einem Blick auf die grüne
Seide auf ihrem Schoß, an der sie schon wieder eifrig stichelte.
»Vielen
Dank«, erwiderte sie kühl. Sie forderte Steven nicht auf, Platz zu nehmen, weil
sie nicht wollte, daß er blieb. In den letzten Tagen war es ihr wenigstens
halbwegs gelungen, ihn aus ihren Gedanken zu verdrängen.
»Willst du
nicht wissen, warum ich gekommen bin?« Emma zwang sich, ihn anzusehen. »Nein.«
Wie
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