Emma und der Rebell
unbeaufsichtigt lassen durfte. Als leichter
Regen zu fallen begann und Steven seinen Mantel holte, nahm er Joellen mit und
legte ihr den Mantel um die Schultern. Dann hob er sie in den Sattel und
schwang sich hinter ihr auf das Pferd.
»Bringen
Sie mich zurück?« rief sie über den heulenden Wind.
»Nicht
heute nacht«, entgegnete Steven kalt. Er hätte alles dafür gegeben, Emma vor
sich auf dem Pferd zu haben, aber Joellen bedeutete nichts als Ärger für ihn.
»Wo wollen
Sie denn hin?«
»Falls es
Ihnen nicht aufgefallen ist, Miss Lenahan, wir haben eine Herde Rinder hier.
Und die lieben Gewitter nicht.«
Der Regen
wurde immer stärker, durchnäßte Stevens Hemd und Hose, und sehnsüchtig dachte
er an seinen warmen Mantel. Aber um nichts in der Welt hätte er zugelassen,
daß eine Frau – oder besser gesagt, ein halbes Kind – frieren mußte.
Danach
hockte Joellen schweigend vor ihm, und Steven vermutete, daß sie weinte. Trotz
allem tat sie ihm leid. Sie war ein Kind, aber eins, das eine Tracht Prügel
verdiente, um danach ins Bett geschickt zu werden.
Als
gleißende Blitze über den Himmel zuckten, bäumte Stevens Pferd sich auf, und
einige der Rinder rannten blindlings in die Dunkelheit hinaus.
Steven
folgte ihnen, froh, daß Joellen reiten konnte und sich im Sattel zu halten
verstand. Mit Hilfe war nicht zu rechnen, da die anderen Männern genug mit
ihren eigenen Rindern zu tun hatten, die in ihrer Panik in alle Richtungen
stoben.
In der
nächsten Stunde nahm der Sturm noch zu. Als knapp zehn Meter vor ihnen ein
Blitz einschlug, ging Stevens Pferd durch. Mit Joellen vor ihm im Sattel war es
schwer, die Kontrolle über das Tier wiederzugewinnen, und der Wallach rannte
bis zur völligen Erschöpfung weiter.
Unter einer
Ansammlung von hohen Kiefern blieb er endlich stehen. Steven saß fluchend ab und
bückte sich, um Beine und Hufe des Pferds zu untersuchen. Da es stockfinster
war, konnte er sich nur auf sein Tastgefühl verlassen.
Das Tier
schien unverletzt zu sein, obwohl es schweißbedeckt war und seine Flanken vor
Erschöpfung zitterten. Steven zerrte Joellen aus dem Sattel und brachte sie in
den Schutz der Bäume.
»Bleiben
Sie da«, zischte er, »oder ich schwöre Ihnen, daß Sie noch mit Neunzig den
Abdruck meiner Hand auf Ihrem Hintern sehen werden!«
Joellen
nickte eingeschüchtert.
Steven
beruhigte das Pferd, so gut er konnte. Dann zündete er unter den Bäumen ein
kleines Feuer an, an dem er und Joellen sich dicht zusammenkauerten, um sich
aufzuwärmen.
»Wo sind
wir?« fragte Joellen ängstlich.
Steven war
so wütend, daß es eine volle Minute dauerte, bis er seiner Stimme wieder
traute. »Mitten in der Wildnis.«
In der
Ferne heulte ein Kojote. »Wölfe«, flüsterte Joellen bestürzt.
Er gab sich
keine Mühe, sie zu beruhigen; dazu war er viel zu zornig. Er stand auf, band
das Pferd an einen umgestürzten Baum und legte frisches Holz nach. AIs er sich
wieder aufrichtete, stand Joellen vor ihm und hielt ihm seinen Mantel hin.
»Hier«,
sagte sie. »Es ist nicht fair, daß Sie frieren müssen. Es ist schließlich meine
Schuld, daß wir hier draußen sind.«
Das war
nicht abzustreiten, aber Steven schüttelte trotzdem den Kopf und weigerte sich,
den Mantel anzunehmen.
Joellen
legte ihn um seine und ihre Schultern und schmiegte sich an Steven. »Küssen Sie
mich«, flüsterte sie lockend.
Steven maß
sie mit einem empörten Blick, rührte sich jedoch nicht, weil beide die
Körperwärme des anderen brauchten, um sich nicht den Tod zu holen. »Schlagen
Sie sich das aus dem Kopf, Joellen«, antwortete er barsch.
Sie legte
ihre Wange an seine Brust und gähnte, und da kam ihm wieder zu Bewußtsein, daß
sie noch ein halbes Kind war. Ein wenig von seinem Zorn verrauchte, wurde
verdrängt von dem väterlichen Wunsch, sie zu beschützen.
»Ich bin so
müde«, murmelte sie.
Auch Steven
war so erschöpft, daß er kaum noch einen klaren Gedanken lassen konnte.
Wortlos legte er sich mit Joellen auf die Erde dicht am Feuer und zog den
Mantel um sie zusammen.
Joellen
seufzte zufrieden und rieb ihr Becken an Stevens Schenkel. »Miss Emma Chalmers
wird sehr verärgert sein, wenn sie das erfährt«, sagte sie in triumphierendem
Ton.
Natürlich
würde Emma davon hören, das war Steven klar. Cowboys waren klatschsüchtig wie
alte Weiber, und daß der Vorarbeiter und die Rancherstochter zusammen die Nacht
verbracht hatten, war eine Geschichte, die allgemeines Interesse finden würde.
Steven
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