Emma und der Rebell
den jungen Burschen entstanden, und Marshal
Woodridge hatte kein Verlangen, sich mit ihnen anzulegen, schon gar nicht,
wenn sie mit einem Revolver umzugehen wußten.
Um sich von
diesen störenden Gedanken abzulenken, öffnete der Marshal seine
Schreibtischschublade, die überquoll von Steckbriefen und Post, die er sich
schon seit langer Zeit hätte ansehen sollen. Resolut nahm er die
Fahndungsmeldungen heraus, trug sie zum Ofen und stopfte sie hinein. Den
Briefen hatte er eigentlich das gleiche Schicksal zugedacht, aber dann hinderte
sein schlechtes Gewissen ihn daran. Es war ein hübscher blauer Umschlag dabei,
der noch gar nicht alt war, höchstens eine Woche oder zwei.
Neugierig
öffnete Marshal Woodridge ihn und zog ein einzelnes Blatt heraus.
»An den
Marshal von Whitneyville, Idaho«, stand
in zierlicher Schrift darauf. Ich wende mich an Sie in der Hoffnung, auf
diese Weise vielleicht etwas über den Aufenthaltsort meiner Schwestern Emma und
Caroline Chalmers zu erfahren, die vor dreizehn Jahren von mir getrennt wurden
...«
Der Marshal
faltete den Brief zusammen und kratzte sich am Kinn. Emma Chalmers ... war das
nicht das rothaarige Mädchen, das bei Chloe Reese aufgewachsen war? Als er das
Blatt in den Umschlag zurücksteckte, war ihm bewußt, daß er jetzt eigentlich zu
Chloe gehen müßte, um ihr den Brief zu geben.
Aber sein
trockener Hals ließ ihn an den Whiskey denken, den er in seinem Zimmer bei Miss
Higgins aufbewahrte. Nach dem langen Arbeitstag hatte er sich einen kräftigen
Schluck verdient ...
Als
überzeugter Anhänger der Theorie, daß man nie heute tun sollte, was sich auch
auf morgen verschieben läßt, legte Woodridge den Umschlag in die Schublade
zurück und stand auf, um nach Hause zu gehen.
Der alte
Wagen holperte über
die dunkle Landstraße, und Joellen Lenahan drängte sich so dicht, wie es
möglich war, an Steven. »Bei Ihnen fühle ich mich sicher, weil Sie einen
Revolver tragen«, schmeichelte sie und schob ihre Hand unter Stevens Arm.
Steven
mußte sich ein Lächeln verkneifen. »Wie alt sind Sie, Joellen?« fragte er,
obwohl er wußte, daß sie sechzehn war. Mit seiner Frage wollte er ihr den
Altersunterschied zwischen ihnen zu Bewußtsein bringen.
»In
sechseinhalb Monaten werde ich sechzehn.« Steven lachte, erwiderte jedoch
nichts.
»Damit bin
ich nur drei Jahre jünger als Emma Chalmers.« Wieder blieb Steven stumm.
»Finden Sie
sie hübscher als mich?«
Steven
seufzte. »Für mich ist sie die schönste Frau der Welt.«
Joellen zog
ihre Hand zurück und rutschte in die entfernte Ecke des Wagens. Steven nahm an,
daß sie jetzt schmollte, konnte es aber in der Dunkelheit nicht sehen. »Lieben
Sie sie?«
»Möglich.«
»Aber
heiraten können Sie sie nicht! Sie ist schon verlobt.« Steven verzichtete
darauf, Joellen über den wahren Stand der Dinge aufzuklären, weil es sie
ohnehin nichts anging.
»Ich bin
zwar noch jung, aber ich weiß schon, wie es zwischen einem Mann und einer Frau
ist«, behauptete Joellen stolz.
Die
Unterhaltung wird langsam interessant, dachte Steven belustigt. »So?«
entgegnete er.
»Ja, ich
bin schon sehr erfahren«, bekräftigte Joellen.
»Das ist
schade«, versetzte Steven. »Ein hübsches Mädchen wie Sie sollte lieber auf den
richtigen Mann warten.«
Joellen
schwieg, dann sagte sie: »Na ja, so richtig erfahren bin ich natürlich
nicht. Aber ich habe schon einmal jemanden geküßt.«
Steven
lächelte in der Dunkelheit. »Ach so«, meinte er trocken.
»Glauben
Sie, daß ich eines Tages den Richtigen finden werde?«
»Darauf
würde ich meinen Lohn verwetten.«
»Vielleicht
habe ich ihn ja schon gefunden«, schnurrte Joellen.
Steven sah
in der Ferne die Lichter der Ranch und konnte es kaum erwarten, Joellen vor der
Haustür abzusetzen. Erleichtert trieb er die Pferde an. »Tatsächlich?« fragte
er kühl.
Ihre kleine
Hand schob sich wieder unter seinen Arm, und nun legte Joellen sogar den Kopf
an seine Schulter. »Ich habe Angst, so ganz allein in diesem großen Haus. Mein
Daddy bleibt bis morgen früh bei Miss Chloe. Jeder Rancharbeiter könnte sich
ins Haus schleichen und mich vergewaltigen!«
Steven war
nicht begeistert von der Wendung, die ihre Gedanken nahmen. »Big John scheint
überzeugt zu sein, daß Ihnen nichts passieren kann«, sagte er. »Verriegeln Sie
Ihre Tür.«
»Nein, mir
wäre lieber, wenn Sie heute nacht im Haus schlafen«, beharrte Joellen. »Dann
kann niemand ...«
»Ich
schlafe heute nacht in meinem
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