Emma und der Rebell
kurzen
Moment war Emma nichts als ein unbeschwertes junges Mädchen, das nur für den
Augenblick zu leben schien, und Steven wirbelte sie über das Parkett, bis
beiden der Atem ausging.
Als die
Musik abbrach, lachte Emma, doch der Ton erstarb in ihrer Kehle, als Fulton vor
ihnen auftauchte und dreist zu Emma sagte: »Darf ich um diesen Tanz bitten?«
Nach einem
fragenden Blick auf Steven nickte sie, und Fulton zog sie auf die Tanzfläche.
»Du
scheinst erstaunt, daß Chloe mich eingeladen hat«, bemerkte er.
Emma zuckte
die Schultern. »Nein. Ich habe den Eindruck, als hätte sie halb Idaho
eingeladen.«
Fulton
lächelte schwach. »Ich war sehr überrascht, als ich von deiner Heirat erfuhr«,
sagte er vorwurfsvoll. »Und wie ich hörte, hast du sogar vor, ihm bis nach New
Orleans zu folgen!«
Emma war
verärgert, aber nicht sehr. Es war verständlich, daß Fulton überrascht war,
aber wahrscheinlich würde sie ihn sowieso nie wiedersehen, sobald sie am
Montagmorgen mit dem Zug die
Stadt verlassen hatte. »Mr. Fairfax ist mein Mann«, sagte sie kühl.
»Es wird
viel geredet, Emma«, fuhr Fulton fort. »Die Leute sagen, daß Fairfax am Galgen
enden wird. Hast du dir eigentlich überlegt, was dann aus dir werden soll?«
Emma
versteifte sich, doch dann sagte sie sich, daß sie keinen Anlaß hatte,
schockiert zu sein. Es war schließlich zu erwarten gewesen, daß Macon die halbe
Stadt mit Geschichten über Stevens Sünden unterhielt. »Ich glaube daran, daß
er unschuldig ist.«
Ihr
Tanzpartner lächelte schwach. »Dann laß uns hoffen, daß die Geschworenen der
gleichen Ansicht sind.«
Emma wollte
sich die Party, die eigentlich ihre Hochzeitsfeier war, nicht mit brutalen
Hinweisen auf die schwere Zeit, die vor ihr lag, zerstören lassen. So wechselte
sie rasch das Thema. »Da ist Joellen Lenahan«, sagte sie, als das Mädchen, das
jetzt sehr eingeschüchtert wirkte, mit ihrem Vater eintraf. Chloe hatte Emma
erzählt, daß Big John Joellen in einer Woche nach Boston in ein Internat
schicken würde und seine unverheiratete Schwester Martha sie auf der langen
Zugfahrt begleiten sollte.
Fulton
schenkte den Lenahans keine Beachtung. Er räusperte sich und sagte errötend:
»Ich wollte mich bei dir entschuldigen, Emma. An jenem Abend ... Ich gebe zu,
daß ich mich da nicht wie ein Gentleman verhalten habe. Es tut mir aufrichtig
leid.«
Emma war
kein nachtragender Mensch – außer vielleicht in bezug auf ihre Mutter. »Es ist
vergessen und vergeben«, erwiderte sie großzügig.
Als der
Tanz beendet und Fulton gegangen war, spürte Emma, daß jemand dicht hinter ihr
stand und drehte sich um, in der Annahme, es sei Steven. Aber es war Macon
Fairfax, und bevor sie etwas sagen oder sich abwenden konnte, zog er sie auf
die Tanzfläche.
»Was machen
Sie denn hier?« fragte sie ärgerlich und versuchte, sich von ihm loszureißen.
Aber er war stark und hielt sie eisern fest.
Er hob
spöttisch eine Augenbraue und ähnelte Steven plötzlich in einer Art, wie es
bei einer Karikatur möglich gewesen wäre. Obwohl er recht gut aussah, strahlte
er eine fast brutale Kälte aus,
was ihn überaus unattraktiv machte. »Ihr Erschrecken erstaunt mich, Miss
Emma«, sagte er. »Meine Männer und ich waren nie mehr als einen Steinwurf von
Ihnen und Steven entfernt, seit ich ihn an jenem Tag auf dem Treck einholte.«
Emma
errötete vor Scham, als sie an die intimen Szenen dachte, bei denen er sie
vielleicht beobachtet hatte. Doch dann erinnerte sie sich daran, wie er sie
entführt und mit seiner Waffe bedroht hatte, und wurde von heftigem Zorn
erfaßt. »Steven hat Ihren Sohn nicht ermordet«, sagte sie kalt. »Und auch nicht
dieses arme Mädchen – Mary McCall!«
»Mein
Halbbruder kann sehr überzeugend sein«, erwiderte Macon freundlich, aber seine
braunen Augen funkelten vor unterdrücktem Haß. »Und wie ich sehe, hat er seinen
Charme dazu benutzt, Sie davon zu überzeugen, daß sein Herz so rein ist wie
frischgefallener Schnee.«
Wieder
versuchte Emma, sich ihm zu entziehen, aber er umklammerte ihre Hand, und seine
andere grub sich so hart in ihren Rücken, daß es schmerzte. Hilflos schaute sie
sich unter den anderen Tänzern und Gästen nach Steven um. Sie sah, daß er sich
mit Frank Deva unterhielt, doch er schien Emmas Blick zu spüren, denn er drehte
sich ganz unvermittelt um und schaute in ihre Richtung.
Anscheinend
hatte er gedacht, Emma tanzte noch mit Fulton. Als er Macon erblickte, kam er
rasch auf sie zu.
Macon
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