Emma will’s wissen
ruhig essen«, sagte ich. »Ist garantiert giftfrei.«
Herr Marten griff nach dem Löffel und begann, die Suppe in sich hineinzuschaufeln. Er schien großen Hunger zu haben. Ich blieb so lange sitzen, bis der Teller leer war.
»Das war lecker.« Er seufzte zufrieden und legte den Löffel zur Seite. »Ich glaube, ich muss mich jetzt etwas ausruhen.« Er ging ins Wohnzimmer und setzte sich in seinen Ohrensessel.
Ich blieb auf der Türschwelle stehen. »Morgen komme ich wieder. Dann kaufe ich frische Lebensmittel ein, okay?«
Herr Marten gähnte. »Das kannst du gerne tun, mein Kind. Aber die Kaffeedose ist so gut wie leer.«
»Dann bringe ich auch frischen Kaffee mit«, sagte ich.
Herr Marten schloss die Augen und ich zog leise die Tür hinter mir zu.
[zurück]
12 . Kapitel
Dezember ohne Weihnachtsstimmung
D er Dezember kam mir so lang vor wie einhundertfünfundzwanzig Mathestunden hintereinander. Eigentlich mag ich den Dezember. Am Anfang des Monats ist mein Geburtstag und am Ende Weihnachten – und dazwischen gibt es jede Menge Spekulatius, Vanilleplätzchen und Lebkuchen. Aber in diesem Jahr hatte ich überhaupt keine Lust auf Spekulatius, Vanilleplätzchen und Lebkuchen. Und auf Weihnachten schon gar nicht. Ich war einfach nicht in der richtigen Stimmung.
Am zweiten Advent war Pauls Beerdigung. Wir begruben ihn im Garten hinter dem Haus. Gleich neben der Bank mit dem Fliederbusch.
Eigentlich darf man Hunde nicht in seinem Garten verbuddeln, aber Papa machte es trotzdem. Er fluchte ziemlich, weil der Boden gefroren und sehr hart war.
Ich legte einen Stein auf Pauls Grab, der ein bisschen wie ein Hundekopf aussah. Mama sagte, im Frühling könnten wir Blumen auf das Grab pflanzen. Das fand ich eine gute Idee. Mona spielte »Ein Hund kam in die Küche« auf ihrer Blockflöte. Das Lied passte ziemlich gut, weil es darin auch um einen Hund geht, der begraben wird. Tim legte eine Handvoll Hundekuchen neben meinen Stein. Es war eine schöne Beerdigung.
Am dritten Advent räumten wir Pauls Hundekorb in den Keller. Mama saugte die Küche dreimal durch, aber danach lagen immer noch Haare von Paul herum. Wahrscheinlich dauert es eine Weile, bis alle weg sind. Ich finde das nicht so schlimm.
Lea redete kein Wort mehr mit mir und ich auch nicht mit ihr. Simone war jetzt ihre beste Freundin, das konnte jeder sehen. Sie waren ständig zusammen und hatten sich die gleichen Freundschaftsarmbänder gekauft. Mit denen klimperten sie ständig herum. Total affig.
Bastian ging mir aus dem Weg. Wenn ich ihn in der Schule sah, schaute er immer schnell in die andere Richtung. Einmal klingelte nachmittags das Telefon, und als ich den Hörer abnahm, hörte ich jemanden atmen.
»Bastian?«, rief ich. Da legte er auf. Ich war mir ganz sicher, dass es Bastian gewesen war. Keine Ahnung, warum. Ich wusste es einfach. Schade, dass er nichts gesagt hatte.
Oma war jetzt immer öfter bei Pfarrer Pauli. Und zu Hause drehte sich alles um das Baby. Mama ging einmal in der Woche zu einem Geburtsvorbereitungskurs und zur Schwangerschaftsgymnastik. Außerdem machte sie mit Gesa Yoga für Schwangere. Ich glaube, da übten sie, wie man Schmerzen wegatmet. Na ja, wenn sie herausgefunden haben, wie es geht, können sie mir gern Bescheid sagen. Kann ja nicht schaden, so was zu können. Vor allem beim Zahnarzt. Oder bei schlimmem Liebeskummer.
Ich hatte in diesem Dezember jede Menge Zeit. Das ist der Vorteil, wenn man sich mit allen gestritten hat. Statt sich mit seinen Freunden zu treffen, kann man alle möglichen anderen Dinge machen. Ich ging mehrmals in der Woche bei Herrn Marten vorbei. Manchmal kaufte ich für ihn ein, manchmal las ich ihm aus der Zeitung vor. Meis-tens erledigte ich auch meine Hausaufgaben dort. Weil ich sowieso nichts anderes zu tun hatte, machte ich sie viel gründlicher als sonst. Wenn Herr Marten einen guten Tag hatte, kochte er mir Kakao und half mir bei den Matheaufgaben. Er war früher Ingenieur oder so was. Auf jeden Fall war er total gut in Mathe. Und er konnte richtig gut erklären. Er löste die Aufgaben ganz anders als Frau Meisner, aber bei ihm verstand ich es viel besser. Außerdem verlor er nie die Geduld, so wie Mama.
Leider gab es auch die schlechten Tage. Man wusste nie, wann es so weit war, aber allmählich kam es mir so vor, als würden sie immer häufiger. Dann war Herr Marten verwirrt, erkannte mich nicht wieder und erzählte merkwürdige Geschichten. Einmal ließ er mich sogar vor der Tür
Weitere Kostenlose Bücher