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Emma will’s wissen

Emma will’s wissen

Titel: Emma will’s wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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aber darunter hatte sie noch ihr Nachthemd an. Es spannte ordentlich über dem Bauch.
    Ich rannte nach draußen und rief: »Paul!«
    Paul drehte sich zu mir um und wedelte. Er wedelte! Er wusste ja nicht, wohin die Fahrt ging. Aber ich wusste es. In diesem Moment wäre ich auch gern ein Hund gewesen. Ein Hund weiß von nichts. Das macht das Leben bestimmt leichter.
    »Emma!«, sagte Papa.
    »Geh wieder ins Haus, Schatz«, sagte Mama. »Sonst er-kältest du dich noch.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich will mit zum Tierarzt. Ich zieh mir nur schnell was an.«
    Mama und Papa wechselten einen Blick.
    »Ich glaube, das ist keine so gute Idee«, sagte Papa.
    »Warum nicht?«, rief ich. »Paul ist mein Hund! Ich will bei ihm sein!«
    Mama kam zu mir und legte mir die Arme um die Schultern. »Ich fände es schön, wenn du hier bei mir bleibst, Emma.« Ich sah, dass ihre Augen ganz rot waren. Ich glaube, sie hatte geweint. Mama hatte Paul auch sehr gern. Wir alle hatten Paul sehr gern. Ich dachte kurz nach. Dann nickte ich. »Okay.« Ich ging zum Auto und umarmte Paul. »Mein lieber, lieber Hund«, flüsterte ich ihm ins Ohr.
    Paul leckte mir über das Gesicht. Er sah so lieb aus, dass es mir fast das Herz brach. Aber mein Herz war ja schon zerbrochen. Die beiden Teile klapperten in meiner Brust.
    Papa schloss vorsichtig die hintere Wagentür. Dann setzte er sich ins Auto und fuhr los. Mama und ich sahen dem Auto nach, bis es um die Ecke gebogen war. Es hatte wieder angefangen zu schneien. Die Schneeflocken landeten sanft auf dem Boden. Es war sehr still. Bald würden die Reifenspuren von Papas Wagen nicht mehr zu sehen sein.
     
    Es war ein langer Sonntag. Lang und traurig. Die Küche war leer ohne Paul. Sein Korb stand verloren vor der Heizung. Beim Frühstück hatte niemand so richtig Hunger. Sogar Klaus kaute lustlos an seinem Brötchen herum. Alle sahen immer wieder zu Pauls leerem Korb hinüber.
    »Wisst ihr noch, wie Paul einmal das ganze Hackfleisch aufgefressen hat, das zum Auftauen auf dem Küchentisch lag?«, fragte Mama.
    Ich lächelte traurig. »Danach war ihm furchtbar schlecht.«
    »So einen verfressenen Hund habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen«, sagte Oma.
    »Was passiert jetzt mit Pauls Korb?«, fragte Tim. »Und mit seinem Fressnapf?«
    »Wir könnten die Sachen in den Keller stellen«, sagte Mama. »Vielleicht brauchen wir sie noch, wenn wir irgendwann mal einen neuen Hund bekommen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich will keinen neuen Hund. Nie wieder. Kein Hund der Welt könnte Paul ersetzen.«
    »Ich kann mir die Küche ohne den Hundekorb gar nicht vorstellen«, sagte Mona.
    Mama überlegte. »Vielleicht sollten wir Pauls Korb einfach noch eine Weile stehen lassen. Und wenn wir so weit sind, räumen wir ihn in den Keller.«
    Damit waren alle einverstanden.
     
    Nach dem Frühstück zog ich meine dicke Jacke an und ging nach draußen. Es schneite immer noch. Die Reifenspuren waren verschwunden. Als hätte dort nie ein Auto gestanden und Paul mitgenommen. Der Hof war eine glitzernde weiße Fläche. Als ich sie überquerte, hinterließ ich neue Spuren. Ich stellte mir vor, wie meine Spur immer länger wurde, je weiter ich lief. Und wie sich meine Fußstapfen auffädelten wie die Perlen an einer langen Kette. Das war ein schöner Gedanke.
    Ich ging einmal quer durchs Dorf. Vor Leas Haus blieb ich kurz stehen. Ich sah zu ihrem Fenster hinauf. Einen klitzekleinen Moment lang überlegte ich, ob ich einfach klingeln sollte. Natürlich tat ich es nicht, sondern ging schnell weiter. Plötzlich bekam ich Lust auf einen heißen Kakao. Ich beschloss, Herrn Marten zu besuchen. Es wurde höchste Zeit, mal wieder nach ihm zu sehen.
    Als ich um die Straßenecke bog, sah ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Herrn Martens Haustür stand sperrangelweit offen. Aber Herr Marten war nirgendwo zu sehen. Ich begann zu rennen. Es war glatt und rutschig, aber ich fiel nicht hin. Als ich vor dem Haus anhielt, war ich ganz außer Atem. Dabei bin ich eigentlich ziemlich sportlich. Mein Herz klopfte wie ein Dampfhammer und die verrücktesten Gedanken schossen mir durch den Kopf. War Herr Marten an der Haustür überfallen worden? Oder entführt?
    Im Vorgarten entdeckte ich Fußspuren im Schnee. Sie führten um das Haus herum und ich folgte ihnen. Da sah ich ihn. Herr Marten stand hinter dem Haus. Er trug eine schwarze Hose und darüber einen grünen Morgenmantel. Er rüttelte an der Tür des Schuppens, der hinten im

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