Emma
Ruhe
noch, ehe sie versuchen musste, wieder Ordnung in ihr zerstörtes Leben zu bringen.
Emma
stöhnte ungeduldig auf. Das Gezeter vor ihrer Wohnungstür zerrte nun doch
gewaltig an ihren Nerven, hinzukam, dass er nun auch noch damit drohte, die
Feuerwehr zu rufen und die Türe aufstemmen zu lassen.
Sie
riss die Augen auf. Es war dunkel um sie her, sie hatte alle Roll-Läden
geschlossen, ehe sie zu Bett gegangen war. Nun strampelte sie mühsam die Decke
von ihren Beinen und quälte sich auf die Füße. Irgendetwas sagte ihr, dass es
nicht Davide sein würde, der sie draußen erwartete, der würde keine Feuerwehr
benötigen, sondern ihre Türe einfach eintreten. Aber wenn nicht er, wer war es
dann?
Mit
einem entnervten Seufzer schlich sie schließlich in den Flur und öffnete einen
Spalt.
Sie
blickte direkt in die dunklen, besorgten Augen Nino Pavones.
„Ah,
na endlich!“, stieß er hervor, „ich wollte schon die Feuerwehr anrufen! Was ist
los mit dir, wo hast du gesteckt? Du bist seit Tagen verschwunden!“
„Mir
ging’s nicht so gut“, murmelte Emma ausweichend, während sie ihn hereinließ und
ins Wohnzimmer schlurfte.
„Das
sehe ich! Was ist denn nur los mit dir? Du warst einfach abgetaucht, hast dich
nicht am Telefon gemeldet – nun mach doch endlich mal ein Fenster auf, man
erstickt ja fast hier drin!“
Schließlich
nahm er es selbst in die Hand, die Rollos hinaufzuziehen und die Fenster
aufzureißen.
„Es
riecht ja, als ob …“
Er
hielt abrupt inne, als er sie sah. Emma hielt zum Schutz vor dem gleißenden
Tageslicht die Hand vor die Augen und verzog gequält das Gesicht.
„Wie
siehst du denn aus?“
Das
blanke Entsetzen in Ninos Stimme ließ sie nun endgültig aufwachen. Sie rieb
sich die Wangen und strich sich unwirsch das wirre Haar aus der Stirn.
„Wie
werde ich schon aussehen – verschlafen natürlich! Du hast mich aufgeweckt!“
„Aufgeweckt?
Es ist drei Uhr nachmittags, was hast du gestern gemacht?“
Emma
antwortete nicht. Erst drei Uhr? Sie hatte erwartet, dass es später wäre.
„Du
siehst aus wie ein Gespenst!“, fuhr Pavone fort, sie anzunörgeln. „Wenn ich es
nicht besser wüsste, dann würde ich meinen, du hast wieder abgenommen! Und du
bist so weiß wie die Wand, wann hast du das letzte Mal etwas Anständiges
gegessen? Wann etwas getrunken? Wann geduscht?“
Emma
schüttelte leicht orientierungslos den Kopf.
„Welchen
Tag haben wir heute?“
„Montag.
Warum fragst du so etwas Dummes überhaupt?“
Montag!
Sie war seit Freitag hier in ihrer Wohnung, ohne auch nur einen Fuß aus dem
Bett zu tun, außer für die allernötigsten Bedürfnisse, und da sie kaum etwas
getrunken und schon gar nichts gegessen hatte, waren auch diese Bedürfnisse auf
ein Minimum reduziert gewesen. Nun wurde ihr auch bewusst, wie schwach sie sich
fühlte.
„Ich
muss mir letzte Woche einen Virus eingefangen haben“, murmelte sie halbherzig
in dem Versuch, das unvermeidliche Eingeständnis ihrer Niederlage noch
hinauszuzögern.
„So
siehst du auch aus! Schaffst du es, allein zu duschen? Wenn nicht, sag es, aber
du musst dich waschen, denn du riechst wie – das sage ich jetzt lieber nicht!“
Pavone rümpfte vielsagend die Nase. „Du gehst duschen, ich mache dir inzwischen
eine Kleinigkeit zu Essen. Und trink erst einmal ein großes Glas Wasser, du
bist ja völlig dehydriert!“
Emma
ließ sich Wasser von ihm geben und während sie es gehorsam austrank, machte
Nino sich in ihrer kleinen Küche auf die Suche nach etwas Essbarem.
„Geh
jetzt endlich ins Bad, deinen Geruch hält ja kein zivilisierter Mensch mehr
aus!“
Sie
gehorchte und tappte mit zittrigen Knien unter die Dusche. Während das Wasser
über ihr Gesicht und ihren Körper rann, machte sich zum ersten Mal seit Tagen
wieder ein einigermaßen kultiviertes Gefühl in ihr breit. Sorgfältig seifte sie
sich von oben bis unten ein, so als könne sie damit auch die Fehler ihrer
Vergangenheit von sich abwaschen. Lange ließ sie sich danach vom Wasser einfach
nur überspülen und versuchte, an gar nichts zu denken, so wie in den letzten
beiden Tagen. Ihr Gehirn fühlte sich an, als bestünde es aus Blei, ihr leerer
Magen verursachte ihr einen bitteren Schmerz. Oder war es am Ende gar nicht ihr
Magen?
Als
sie sich endlich dazu aufraffen konnte, das Bad wieder zu verlassen, hatte ihr
Nino etwas Reis gekocht.
„Wenn
du einen verdorbenen Magen hattest, dann ist das das Beste, um ihn langsam
wieder an Nahrung zu
Weitere Kostenlose Bücher