Emma
zurückgezogen. Sie nahm nur wenig
Anteil an dem, was sich um sie herum abspielte. Zwar wärmte es ihr das Herz,
Tommaso und Kiki zu sehen, die wie verliebte Kinder waren und sich gegenseitig
anbeteten, und sie gönnte es ihnen aufrichtig. Aber andererseits schürte dieses
unverhohlene Glück auch ihre Trauer und Einsamkeit.
Sie
arbeitete viel und versuchte, ihre Mutter zu entlasten, so gut sie in diesen
wenigen Tagen nur konnte. Aber in Gedanken war sie weit weg. Sie hoffte nur,
dass die Zeit schnell verging, damit sie endlich wieder arbeiten konnte und auf
andere Gedanken kam. Sie hoffte auf ein anstrengendes Shooting, damit sie nicht
auf zu viele Gedanken kam. Und sie hoffte inständig, dass dieser nagende
Schmerz tief in ihr irgendwann wieder nachlassen würde.
Wenn
sie auch keine Ahnung hatte, wie das gehen sollte.
Emma
hatte den Pflichttermin beim Arzt mehr schlecht als recht absolviert. Mit jeder
Menge Wasser in den Eingeweiden schaffte sie es mit Mühe und Not, einen BMI von
19,8 zu erreichen und nur die Tatsache, dass ihre Familie seit Jahren von ihm
betreut wurde und dass er sie schon ewig kannte und wusste, wie gesund und fit
sie war, bescherte ihr das notwendige Gesundheitsattest, um es am Montagmorgen
bei Franceschini vorzulegen.
Sie
traf frühzeitig ein, meldete sich in Franceschinis Vorzimmer, und bekam erst
einmal von der stets bestens gelaunten Empfangsdame Francesca einen wunderbar
cremigen Cappuccino serviert. Dann brachte sie sie in eine fast wohnlich
eingerichtete und mit allem Komfort ausgestattete Garderobe.
„Möchten
Sie, dass ich Ihnen für die Zeit der Aufnahmen hier in der Nähe eine Pension
besorge, mein Kind?“, fragte Francesca sie unterwegs.
Emma
überlegte kurz.
„Nein
danke, das ist nicht nötig“, entschied sie schließlich mit einem dankbaren
Lächeln, „es ist nicht so schrecklich weit nach Hause, ich fahre lieber jeden
Tag!“
Mit
einem verständnisvollen Nicken quittierte Francesca ihre Absage.
Emma
hätte beinahe ja gesagt, doch dann war ihr eingefallen, dass sie so viel zuviel
Zeit haben würde, um nachzudenken und zu grübeln. Solange sie beschäftigt war,
ging es ja noch einigermaßen, und auch wenn sie bei ihren Eltern spät und wie
gerädert ankäme, so wäre sie doch zumindest nicht stundenlang alleine in einem
fremden Zimmer, ohne Ansprache und ohne Beschäftigung. Zu Hause würde sie
kochen helfen, ihre Wäsche machen, vielleicht mit Kiki und Tommaso eine Runde
laufen gehen oder den Hühnerstall ausmisten, egal was. Hauptsache, sie musste
nicht zuviel Zeit alleine mit sich und ohne ablenkende Beschäftigung
verbringen!
Dann
konnte sie endlich anfangen zu arbeiten.
Der
Auftraggeber ließ sich nicht blicken. Er hatte alles mit Franceschini im Voraus
organisiert und geplant und es gab keinen Grund für ein persönliches
Erscheinen. Von einer Sicherheitsfirma wurden jeden Morgen nur die Teile seiner
Kollektion an Platinschmuck im Panzerfahrzeug vorbeigebracht, die an besagtem
Tag fotografiert werden sollten, und auch dann stand die ganze Zeit ein Sheriff
unauffällig hinter der Kulisse und hatte ein Auge auf die teuren Stücke.
Emma
hätte sich schnell an ihn gewöhnen können, zumal dieser Schrank von Mann eine
so unaufdringliche Art hatte, dass sie sich von ihm nicht bedrängt fühlte,
obwohl er zwangsläufig kaum einen Blick von ihr ließ.
Es
war seine Größe, die sie beklommen machte. Er war riesig. Und er erinnerte sie
schmerzhaft an Davide - daran, dass sie ihn am ersten Abend in ihrer Garderobe
für seinen eigenen Leibwächter gehalten hatte.
Die
Erinnerung ließ unwillkürlich ein sehnsüchtiges Lächeln über ihr Gesicht
huschen.
„Fantastisch,
ganz wunderbar, bleib so jetzt, nicht mehr bewegen, keine Miene verziehen, ja!
Sieh hierher, lächle noch mal so wie gerade eben, komm, lass es mich sehen,
dieses entrückte Lächeln, na, meine Süße, nun mach schon!“
Der
Fotograf versuchte mit allen Mitteln, sie noch einmal zu diesem
Gesichtsausdruck zu bewegen, aber Emma konnte sich nicht einmal entsinnen, dass
sie überhaupt gelächelt hatte.
Schließlich
gab er auf.
„Schluss
für heute, das reicht für den Moment.“
Mit
einem müden Seufzen nahm Emma das Kollier ab, das man ihr für diese Serie
umgelegt hatte, und gab es erleichtert an den Sheriff weiter, der es sorgfältig
in einem schwarzen Koffer mit all den anderen Objekten dieses Tages verwahrte.
„Schönes
Stück“, meinte er mit einem undefinierbaren Blick auf sie, ehe er den
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