Emma
Koffer
absperrte und ihn sich mit einer Kette ums Handgelenk schloss.
Emma
staunte.
„Müssen
Sie das immer so machen?“
Der
Riese zuckte gleichmütig die Schultern.
„Wer
mir das klauen will, der muss mir schon den Arm abhacken“, verkündete er fast
stolz, und schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln. Sie lächelte zurück.
„Ich
bin übrigens Sergio“, meinte er schließlich, ehe er samt seinen Preziosen durch
die Hintertür verschwand, wo schon der gepanzerte Wagen auf ihn wartete.
Man
behandelte sie während dieser Aufnahmen wie eine Prinzessin. Die Stimmung war
hervorragend, die Leute ungeheuer zuvorkommend, es war eine echte, aufrichtige
Atmosphäre, aber sie tat ihr nicht gut.
Irgendetwas
in ihr flüsterte Emma zu, dass sie das alles hier nicht verdient hatte. Sie
konnte es kaum genießen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen.
Sergio
kam jeden Tag pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk und brachte ihnen die Stars
des jeweiligen Tages vorbei. Da er sie ohnehin keine Sekunde aus den Augen
ließ, setzte sich Emma auch während der kurzen Pausen neben ihn, in denen die
Requisiten ausgetauscht oder neu arrangiert wurden.
So
erzählte er ihr bald, dass er früher geboxt hatte, dann Ringer gewesen und
schließlich Krankenpfleger geworden war.
„Was?“
Emma blieb der Mund offen stehen. „Krankenpfleger? So richtig mit Ausbildung
und allem?“
Er
nickte.
„Und
warum machst du das jetzt nicht mehr?“
„Konnte
nicht mehr. Zuviel Elend, weißt du? Abgesehen davon, dass der Job meiner
Meinung nach viel zu schlecht bezahlt ist, konnte ich einfach eines Tages keine
kranken und behinderten Menschen mehr sehen. Ich bekam regelrecht Depressionen
davon, also musste ich aufhören.“ Er brummte etwas Unverständliches. „Tut mir
ja echt leid, das so sagen zu müssen, aber inzwischen sind mir tote Gegenstände
lieber als lebende. Mit denen fühle ich viel zu sehr mit, das geht mir an die
Substanz!“
Ein
auffordernder Ausruf des Fotografen schnitt ihm das Wort ab und Emma sprang mit
einer entschuldigenden Geste auf.
Interessant,
was man da so alles über Menschen erfuhr, dachte sie, während sie sich wieder
den Anweisungen gemäß in ihrer Kulisse in Pose warf. Alles hätte sie erwartet,
aber nicht, dass ein solcher Goliath von Mann eine derart sensible Ader hatte.
Aber das bewies nur einmal mehr, dass Vorurteile keinen Schuss Pulver wert
waren!
Sie
schaffte es, alles abzuschalten, alles auszublenden, und nur noch zu
funktionieren. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie dann am besten war. Nur
klappte das nicht immer und nicht immer für gleich lange Zeit.
Heute
klappte es nur kurz.
Dann
kam die Traurigkeit wieder und der Fotograf fluchte.
„Du
siehst aus, als hätte dir einer die Todesstrafe angedroht! Du sollst aber vor
dieser Kamera hier verdammt noch mal aussehen, als ob dir gerade einer ein Paar
Ohrringe für hundertzwanzigtausend Euro geschenkt hätte!“, polterte er.
Dann
fuhr er sich wieder herunter.
„Schluss“,
meinte er ungehalten, „das reicht für heute! Sieh zu“, wandte er sich an Emma,
„dass du morgen besserer Laune bist als heute!“
Emma
verbiss sich eine Antwort und merkte, dass ihre Kehle eng wurde. Sie blinzelte
heftig. Was war heute nur los mit ihr?
„Was
ist denn heute nur los mit dir?“, sprach Sergio ihre eigenen Gedanken laut aus,
als sie ihm die Ohrringe übergab und sich abwenden wollte, um in ihrer
Garderobe zu verschwinden.
Sie
zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Hab schlecht geschlafen.“
„Das
ist meistens nur eine schwache Ausrede für immer das gleiche Problem!“
Sie
sah ihn fragend an.
„Lächle,
Sonnenstrahl!“, empfahl er ihr. „Das hilft! Die traurige Miene steht dir nicht.
Ruf ihn doch einfach an!“
„Was?“
Emma
traute ihren Ohren nicht. War sie so durchschaubar?
„Na
was wohl? Wenn nicht grad dein Lieblingspudel ins Reich der ewigen Träume
verschwunden ist, warum solltest du sonst so verdammt trübsinnig aussehen? Hast
Liebeskummer, Mädel, mach was dagegen!“
Sie
schüttelte heftig den Kopf.
„Keine
Chance, aus und vorbei!“
„Mann,
ey, so ein Hohlkopp wird er schon nicht sein! Wie kann man so was wie dich nur
sausen lassen, der nimmt dich doch mit Handkuss wieder zurück!“
Emma
zog eine Grimasse.
„Das
ist leider nicht so einfach, Sergio. Er konnte nichts dafür, ich hab ihn verlassen.“
Er
runzelte die Stirn. „Hätte ich mir ja denken können! Eine wie dich lässt man
nicht so einfach sausen“, wiederholte er
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