Emma
entfernt.
Das
Klingeln ihres Telefons riss sie zurück in die Wirklichkeit. Es begann zu
dämmern, stellte sie fest, als sie in ihrer Tasche danach suchte.
Antonio
rief an.
„Wo
bist du?“
„Noch
unterwegs, aber wir sind gleich da.“
„Kannst
du dann bitte wieder hereinkommen? Es gibt Neuigkeiten.“
Seiner
Stimme war keine Tendenz zu entnehmen und sie hatte nicht den Mut,
nachzufragen.
Die
restliche Strecke legte sie mit einem Gefühl zurück, als hätte jemand sie und
ihre ganzen Empfindungen einfach gelähmt. Außer einem steten, leichten Zittern
kam sie sich beinahe bewegungsunfähig vor, so dass sie fast Mühe hatte, an
ihrem Bestimmungsort aus dem Auto zu klettern.
Am
ganzen Körper bebend bewältigte sie schließlich irgendwie den Weg vom Eingang
bis zur Notaufnahme und ging die endlosen Flure entlang. Sie nahm nicht den
Aufzug, sondern ging zu Fuß die Treppe hinauf, langsam, Stufe für Stufe, so als
könne sie durch die erzwungene Langsamkeit dem Schicksal ein Zugeständnis
abringen.
Wenn
sie auch nicht davon überzeugt war, es verdient zu haben.
Sie
nicht.
Aber
er!
Schließlich
aber, egal wie lange sie dazu auch gebraucht hatte, erreichte sie den Raum, in
dem Antonio sie schon angespannt erwartete und trat mit gesenktem Kopf ein. Sie
wollte sein Gesicht gar nicht sehen, wenn er ihr die schlechte Nachricht
mitteilte, sie wollte so tun, als sei er gar nicht da, als sei er nur ein
Geist, der mit ihr sprach. Vielleicht konnte sie den Schlag dann eher
verkraften, den das Schicksal ihr zu versetzen gedachte.
Mit
bis zum Zerreißen angespannten Nerven erwartete sie, was er ihr sagen würde.
„Emma!“
Seine
Stimme zitterte und sie konnte nicht unterscheiden, ob aus Erleichterung oder
Schmerz. Nun riss sie doch die Augen hoch zu seinem Gesicht. Sie würde der
Realität begegnen müssen, ob jetzt oder später war nun auch schon einerlei!
Als
sie in Antonios Gesicht fast so etwas wie ein erleichtertes Lächeln ausmachte,
konnte sie den Gesichtsausdruck nicht einmal sofort einordnen.
Er
ist übergeschnappt, dachte sie. Davide ist gestorben und Antonio lacht – er hat
den Verstand verloren!
„Emma,
die Ärztin hat gesagt, er sei außer Gefahr!“
Nun,
da er es laut ausgesprochen und den Worten damit ihre legitime Wahrheit
verliehen hatte, konnte er endlich aufatmen. Er lachte sogar übers ganze
Gesicht.
„Hast
du verstanden, was ich gerade gesagt habe? Er ist nicht mehr in Lebensgefahr!“
Als
Emma noch immer nicht reagierte, packte er sie an den Schultern und schüttelte
sie wie eine Stoffpuppe.
„Emma!
Wach auf! Der Schock hat ein Ende, er wird es schaffen!“ Eindringlich sah er
sie an, suchte ihren starren Blick, bis der sich endlich aus dem Nichts löste
und dem seinen bewusst begegnete.
„Ist
das wahr?“ konnte sie schließlich flüstern.
Er
nickte heftig. „Ja, das ist wahr – komm, setz dich!“
Mit
einer Behutsamkeit, die seine vorherigen Ausbrüche Lügen strafte, führte er sie
zu einem der Stühle und drückte sie darauf nieder und er ließ ihre Hand nicht
los, auch als er schon neben ihr saß.
Emma
saß da, den Blick auf ihn geheftet wie ein kleines Mädchen, das einen
lebenswichtigen Urteilsspruch zu erwarten hatte. Ihre Augen erschienen Antonio
in diesem Moment riesig und er wusste plötzlich, dass er das Richtige getan
hatte.
Sie
gehörte hierher.
Was
immer auch passiert war, sie musste jetzt hier sein. Egal, was sie selbst dabei
empfand, Davide würde sie irgendwann später dringend brauchen, und nur das
zählte.
„Also“,
begann er, als er sicher war, dass ihre Aufmerksamkeit sich auf ihn
konzentrierte, „seine behandelnde Ärztin hat mir gerade Folgendes mitgeteilt –
mal sehen, ob ich auch alles behalten habe!“ Er holte tief Luft. „Sie haben ihn
ins künstliche Koma versetzt, damit er sich nicht bewegt, aber seine
Wirbelsäule ist zum Glück intakt. Das umliegende Gewebe können sie zum
Abschwellen bringen, irgendwie und irgendwann. Jetzt drückt es zwar noch auf
den Nerv, so dass seine Beine momentan noch gelähmt sind und sie sagte, das
könne dauern, aber es ginge vorbei. Dadurch dass er im Wasser lag, wurde sein
Körper ein wenig gekühlt und das war gut, denn sonst hätte die Schwellung
vielleicht sogar das Rückenmark durchtrennen können, aber frag mich jetzt bitte
nicht, wie. Sie werden ihn morgen in die Orthopädie verlegen, weil sie
neurologische Schäden inzwischen ausschließen können. Und außerdem hat er
erstaunlicherweise keine
Weitere Kostenlose Bücher