Emma
„Mit
derselben Masche habe ich auch hier drin seine Zimmernummer erfahren!“
Kopfschüttelnd
betrachtete Emma ihr Gegenüber. Das junge Mädchen hatte etwas, das ihr gefiel.
Wäre sie tatsächlich Davides uneheliche Tochter gewesen, hätte sie sich wahrscheinlich
sogar mit dieser Vorstellung anfreunden können, überlegte sie, etwas befremdet
von ihren eigenen Gedanken.
„Tut
mir leid, wenn ich unhöflich zu dir war“, hörte sie sich laut sagen, „aber es
war ziemlich viel in den letzten Tagen!“
Nicol
nickte. „Glaube ich dir aufs Wort! Ich gehe dann wohl auch lieber, er schläft
ja sowieso.“
„Willst
du ein andermal wiederkommen? Wenn es ihm besser geht und er wach ist?“
„Im
Ernst? Du hast nichts dagegen?“
Emma
zuckte ergeben die Schultern. „Was soll ich schon dagegen haben? Offensichtlich
mag er dich, sonst hätte er nicht soviel Zeit mit dir verbracht und dir nicht
soviel erzählt! Das spricht eindeutig für dich, er ist schließlich kein Idiot,
der sich bei jedermann ausweint, der ihm über den Weg läuft!“
„Das
hast du aber schön gesagt!“ Nicol lachte herzhaft auf. „Dich mag ich übrigens
auch, obwohl du so eine Zicke bist!“
„Danke!“,
nun war es an Emma, zu lachen. „Wenn du tatsächlich seine Tochter wärst, dann
hätte er es entschieden schlimmer treffen können!“
Nun
lachten sie beide.
„Ich
sag ihm, dass du hier warst, okay? Weißt du deine Handynummer auswendig?“ Emma
zog ihr Telefon aus der Tasche und tippte die Nummer ein, die Nicol ihr
diktierte. Wenig später hörte sie es in deren Handtasche klingeln und legte
wieder auf. „Ruf mich an, wenn du Zeit hast, dann sag ich dir, wann es passt,
einverstanden?“
„Einverstanden!“,
Nicol erhob sich. „Ich muss jetzt los, meine Mutter wartet unten im Auto.
Mach's gut!“
Und
weg war sie.
Emma
starrte ihr noch ein paar Augenblicke lang hinterher und ließ sich dann
gedankenverloren auf den Stuhl fallen, von dem Nicol soeben aufgestanden war.
Nicols
Erzählungen hatte ihr eine leise Ahnung davon vermittelt, wie verloren und
verlassen Davide sich in der letzten Zeit gefühlt haben musste. Wieder drängte
sich ihr der Gedanke auf, ob der Unfall tatsächlich ein Unfall gewesen war.
Oder doch etwas anderes?
Entschlossen
schob sie die bedrückende Vorstellung beiseite.
An
diesem Abend übernahm Antonio sehr zu Emmas Erleichterung die undankbare
Aufgabe, Davide zu erklären, was geschehen war. Der hatte insistiert und
begonnen, Emma mit Fragen zu bombardieren, die sie weder beantworten wollte,
noch konnte.
Sie
ließ die beiden Männer aufatmend allein und ging hinunter in die kleine Cafeteria,
um auf Antonio zu warten. Später würde sie noch ein wenig bei Davide sitzen
bleiben bis er eingeschlafen war, ehe sie selber in die Pension zurückkehrte,
um noch ein wenig zu schlafen. Am nächsten Tag würde dann ihre Arbeit wieder
beginnen.
Während
sie wartete, rief sie ihre Eltern an. Sie hatte auch von Kiki einige
unbeantwortete Anrufe auf ihrem Telefon und ihr schlechtes Gewissen meldete
sich. Sie traf allerdings auf Verständnis, wenigstens für die Verspätung des
Anrufs, und als sie ihnen schließlich alles so ausführlich wie nur möglich
geschildert hatte, waren sie zufrieden.
„Der
arme Junge!“, war das letzte, was ihre Mutter ihr noch mit auf den Weg gab, ehe
sie das Gespräch beendete.
Emma
atmete erleichtert auf. Die Telefonate mit zuhause hatten ihr schwer im Magen
gelegen. Sie wusste, wie ihre Mutter zu Davide stand und dass auch ihr Vater
ihn sehr schätzte. Beide hatten nicht den kleinsten Funken Verständnis für sie
aufgebracht, als sie von der Trennung erfahren hatten. Jetzt waren sie froh,
dass sich ihre Beziehung offensichtlich wieder einzurenken schien, wenn ihnen
auch Davide entsetzlich leid tat wegen dem, was ihm da zugestoßen war. Und dass
auch ihre Mutter davon überzeugt war, es sei alles Emmas Schuld, das brauchte
sie nicht explizit zu sagen – sie konnte es genau zwischen den Zeilen hören!
„Der
arme Junge!“
Die
Worte hallten in Emmas Ohren nach, als sie wieder nach oben ging. Unwillkürlich
musste sie schmunzeln. Das hörte sich an, als sei er gerade mal etwas über
zwanzig, und nicht schon beinahe fünfzig Jahre alt, dachte sie amüsiert. Ihre
Mamma hatte tatsächlich einen Narren an ihm gefressen! Und das, obwohl sie ihn
erst zweimal gesehen hatte!
Als
sie oben aus dem Lift stieg, rannte sie fast Antonio über den Haufen. Er sah
erschöpft aus und das sagte sie ihm
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