Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
Emma scheint nicht mit Ihnen darüber reden zu wollen.«
»Warum sollte sie das?« Er war immer noch aufgewühlt. »Ich meine, es tut mir sehr leid um … Wie heißt sie? Kayleigh?«
»Kaelynn. So heißt Ihre Tochter.«
»Was?«
Ich glaubte keine Sekunde mehr, einem Vater gegenüberzusitzen, der seine Tochter verleugnete. Dieser Mann hatte keine Ahnung, dass es dieses Kind gab. »Ich dachte, Sie wüssten es«, sagte ich leise.
»Ich weiß überhaupt nichts! Ich habe Emma bestimmt schon seit mindestens zwei Jahren nicht mehr gesehen. Wie alt ist denn das Kind? Sie hat es doch nicht in Indien bekommen? Sie muss seit über einem Jahr zurück sein.«
»Seit über einem Jahr?« Ich hatte das Gefühl, der Sessel schwankte und die Hotelhalle gleich mit ihm.
»Also, wie alt ist das Kind?«
»Fast drei Monate.«
»Hören Sie, ich habe wirklich den Eindruck, dass es da ein Missverständnis gibt. Mindestens eines. Falls Sie Emma wirklich kennen.« Er warf mir einen misstrauischen Blick zu. »Meine Frau hat mich vor über zwei Jahren verlassen. Sie ist bald darauf nach Indien gegangen, und nach allem, was mir so erzählt wurde und sich im Internet fand, war sie bestimmt ein Jahr dort. Was sie danach gemacht hat, weiß ich nicht. Ich habe sie wirklich schon sehr lange nicht mehr gesehen. Wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann …« Er wollte schon aufstehen, doch etwas brachte ihn dazu, noch zu bleiben. Frank O’Donnell sah mich forschend an. »Hat Emma etwa gesagt, das Kind sei von mir?«
»Ich bin zumindest davon ausgegangen. Als ich sie nach Kaelynns Vater fragte, sagte sie, er hätte nie Kinder gewollt. Und dass sie geschieden sei.«
»Ich wollte immer Kinder. Ich habe zwei Söhne aus erster Ehe, und ich wollte auch ein Kind mit Emma. Sie war diejenige, die damit noch warten wollte.« Er seufzte. »Ich habe sie wirklich sehr geliebt. Ich dachte, ich kenne sie. Dann musste ich einsehen, dass sie so ihre Geheimnisse hatte. Vor mir, vor so ziemlich allen.«
»Ich fürchte, Sie haben recht.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, ich meine damit nicht, dass sie absichtlich Lügen erzählt. Ich habe lange über sie nachgedacht, natürlich, weil ich sie über alles geliebt habe und nicht verstehen konnte, warum sie mich verlassen hatte. Ich dachte: Hat sie mir die ganze Zeit etwas vorgemacht? Wissen Sie, ich habe allen Grund, wütend auf Emma zu sein. Aber ich denke wirklich, dass sie niemandem wehtun will. Sie macht nur leider alles mit sich selbst aus. Um die anderen nicht zu verletzen, behält sie Dinge für sich, bis es nicht mehr geht und der große Knall kommt. So in der Art. Ergibt das einen Sinn?«
Ich dachte eine Weile darüber nach. »Vielleicht. Ich … habe gerade nicht den Eindruck, sehr viel über Emma zu wissen. Wenn man sich so lange nicht gesehen hat wie wir …«
»Sie kannten sich aus der Schulzeit, sagten Sie? Nun, die einen scheinen sich nie zu verändern, und andere erkennt man nicht wieder. Sagen zumindest alle, die regelmäßig zu Klassentreffen gehen.«
Ich sah ihn an. Das war das Stichwort. »Gehen Sie zu Klassentreffen?«
Er schüttelte den Kopf. »Oh, Gott bewahre, nein.«
»Sie kommen aus Kinsale, richtig?«
»Warum?«
»Ich glaube, Sie kannten meine Mutter. Hannah Riley.«
Jetzt lächelte er. »Hannah? Natürlich. Wir waren in einer Klasse. Nettes Mädchen. Wie geht es ihr?«
»Sie ist gestorben.«
»Oh, das tut mir leid. Wann denn?« Er schien betroffen.
»Vor fünfundzwanzig Jahren.«
»Ein Unfall?«
»Sie hatte etwas mit dem Herzen.«
»Furchtbar«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Sie war unglaublich klug. Und hübsch. Sie sehen ihr sehr ähnlich. Woher wissen Sie, dass wir in einer Klasse waren? Wir hatten nie viel miteinander zu tun.«
»Ich habe ein altes Klassenfoto gefunden, da stand Ihr Name drauf. Und als ich irgendwo las, dass Sie derselbe Jahrgang sind und aus Kinsale stammen …«
Jetzt schien er ganz in der Erinnerung zu versinken. »Ja, ja, alle Jungs waren ganz verliebt in sie. Aber sie ging mit keinem aus. Man munkelte etwas von einem geheimen Freund, der in Cork wohnte. Wie heißt denn Ihr Vater? Vielleicht war er das. Wenn Sie so alt wie Emma sind, könnte das ja sogar hinkommen.«
Ich schluckte. »Ich kenne meinen Vater nicht.«
Frank O’Donnell sah mich betroffen an. »Oh. Entschuldigung. Das ist … Das tut mir leid.« Er räusperte sich. »Also auch in diesem Fall scheide ich leider aus, aber das haben Sie sicherlich auch nicht angenommen.
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