Emmas Geheimnis: Roman (German Edition)
schicken musste, damit er wusste, dass ich an ihn dachte. Benommen tastete ich nach meinem Handy, schlief dann aber mit dem Telefon in der Hand ein und wachte zwei Stunden später genauso auf.
Ich war froh, ihm nicht geschrieben zu haben. Die nüchterne Morgensonne konnte sehr grausam sein, anders als die Nacht.
Auf dem Weg zum Flughafen war ich noch sicher, dass ich gleich nach der Landung in Cork zu Emma fahren würde, um sie zur Rede zu stellen. Doch als ich angekommen war, wollte ich nur noch nach Hause. Ich hatte nämlich, wenn ich es mir recht überlegte, keine Ahnung, wie ich ihr nun begegnen sollte. Wie konnte ich es ihr sagen? Dass ich im Internet Nachforschungen zu ihrer Person angestellt hatte, um ihren Exmann ausfindig zu machen? Von dem sie nie wirklich gesagt hatte, er sei der Vater ihres Kindes? Dass ich so überstürzt nach London geflogen war, weil ich die alberne Idee hatte, genau dieser Mann könnte mein Vater sein? Selbst wenn es nur um Kaelynn gegangen wäre, ich hatte gar kein Recht dazu gehabt, Frank O’Donnell aufzusuchen, ohne es vorher mit Emma zu besprechen. Es wäre ihre Sache gewesen, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Was, wie ich nun wusste, nicht nötig gewesen wäre.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht …
Ich brauchte etwas Zeit, um mir über alles klar zu werden. Dann würde ich mit ihr reden. Ich musste ihr sagen, dass ich in London gewesen war. Und dass ich ihr nicht mehr vertrauen konnte.
Das Einzige, was nun zählte, war Kaelynns Leben. Was konnte eine Tochter für ihre Mutter? Ich musste mit meiner Familie reden, allen Bekannten, die wir hatten. Wir mussten so viele Menschen wie möglich mobilisieren, damit ein Spender für das Mädchen gefunden werden konnte.
Bis zum Abend hatte ich sämtliche Hausärzte in Kinsale kontaktiert und die Pfarrer dazu gebracht, in ihrer nächsten Predigt dazu aufzurufen, bei der Suche nach einem Spender für Kaelynn zu helfen. Ich aß eine Kleinigkeit in der Küche zu Abend, dann ging ich in mein Zimmer und rief Emma an.
»Wie geht es Kaelynn?«, fragte ich.
»Sie ist in guten Händen«, sagte Emma. Ich hörte, dass sie gegen Tränen ankämpfte. Meine Wut auf sie blieb.
»Warst du heute bei ihr?«
»Natürlich. Wo warst du? Ich dachte, du kommst vielleicht auch …«
»Ich hatte zu tun.«
»Kate, du klingst so seltsam.«
Ich räusperte mich. »Ich hatte zu tun, weil ich dir helfen will, einen Spender für Kaelynn zu finden. Mit etwas Glück lässt sich noch diese Woche ganz Kinsale testen.«
»Wirklich? Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken …«
»Emma«, unterbrach ich sie. »Wir müssen miteinander reden.«
»Das tun wir doch?«
»Nicht am Telefon.«
»Ist etwas passiert?«
Ich überlegte, wie viel ich ihr sagen wollte. »Ja. Wir müssen über dich reden.«
»Über mich?« Sie klang verunsichert, und sie brauchte einen Moment, bis sie sagte: »Willst du vorbeikommen?«
Ich war erschöpft und fühlte mich ausgelaugt. Mich ins Bett zu legen wäre wohl vernünftig gewesen. Aber irgendwie wusste ich, dass ich sowieso nicht schlafen konnte. Und war es nicht wichtig, es so schnell wie möglich hinter mich zu bringen und Klarheit zu schaffen? Nur wusste ich nicht, wo wir uns treffen sollten. Bei ihr zu Hause? Etwas sträubte sich in mir.
»Komm nach Kinsale«, sagte ich.
»Aber ich habe kein Auto, kannst du nicht …«
»Komm einfach her, okay?« Ohne ein weiteres Wort legte ich auf.
In meinem Zimmer hielt ich es nicht länger aus. Ich ging rüber ins Pub und fragte, ob ich helfen könnte, aber Ralph schickte mich weg. »Wir hatten eine Vereinbarung, und an die halten wir uns bitte schön alle. Du würdest hier weniger arbeiten und dich dafür mehr um dich selbst kümmern. Schon vergessen? Dir ist doch nicht etwa langweilig?«
»Du wirkst nervös«, sagte Mary. »Ist es wegen Kaelynn?«
Ich nickte. »Emma kommt gleich.«
»Ach, wie schön, dann kommt sie mal auf andere Gedanken«, sagte Ralph, während er einem Gast ein Bier zapfte.
»Dann wird’s aber schwierig, wenn sie heute noch zurückwill. Sollen wir die Couch klarmachen?«, bot Mary an.
Ich hatte nicht darüber nachgedacht, wie Emma zurückkommen würde. »Das kann ich doch machen, kümmert euch nicht drum.«
Vielleicht würde sie auch gar nicht kommen, weil sie die Auseinandersetzung ahnte. Ich ging nach draußen an die Luft. Durch die Brise, die vom Meer landeinwärts wehte, war es angenehm kühl. Ich erinnerte mich an die stickige Luft in London, an die tausend
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