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Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Muentefering
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nämlich tatsächlich, über mehrere Minuten grammatikalisch fehlerfrei zu erzählen. Dann konnte ich ihren Geschichten ohne inneres Zusammenzucken lauschen und unsere Unterhaltung phasenweise wirklich genießen. Dann machte es Spaß, mit ihr zu plaudern.
    Ich erfuhr, dass ihr Leben ganz und gar nicht so verlaufen war, wie sie es damals zu unserer Zeit geplant und ich es gerade noch berechnet hatte. Sie war an allen Schauspielschulen durch die Aufnahmeprüfung gerasselt. Dann hatte sie in mehreren Theaterprojekten gejobbt, bis sie feststellen musste, dass dies eine recht brotlose Kunst ist.
    Mit ihrem guten Abitur in der Tasche und den hohen Erwartungen der Familie in Richtung Studium, bewarb sie sich bei Töpfers & Co., einer alternativen Gärtnerei hier in der Stadt.
    Dort arbeitet sie heute noch, ist für Gewächshäuser, Zierpflanzen, Baumschulen zuständig, hat täglich mit Regenwürmern und biologisch abbaubaren Blattlausvernichtungsmitteln (Marienkäfer) zu tun und stellt außerdem Keramiken und neue Kreationen von Übertöpfen in der dazugehörigen Brennerei her. Etwas verlegen hielt sie mir ihre Finger entgegen, die manchmal nach einem langen Arbeitstag mit Erde und Ton einfach nicht mehr restlos sauber zu kriegen sind.
    In der Wohnung, vor deren Tür wir übereinander gestolpert waren, lebt sie jetzt mit drei Hunden zusammen, von denen sie sehr liebevoll erzählte.
    Ich muss zugeben, dass ich ihr gern zuhörte, dass ich es witzig fand, zu erfahren, was aus dem einen oder anderen Klassenkameraden geworden ist, wie es ihren Eltern geht, was unsere alten Lehrer treiben. Sie hat den Kontakt zu unserem Heimatdorf viel inniger gehalten als ich es je gekonnt hätte. Schließlich war ich doch so froh gewesen, endlich dort wegzukönnen. Aber ich gebe zu, dass es schön war, von all dem Vertrauten mal wieder etwas zu hören.
    Was ich nicht erfuhr und wonach ich auch nicht fragte war, wer zu dem Ehering an ihrer linken Hand gehört.
    Vielleicht saß der Schock über mein Coming-Out derartig tief, dass sie es peinlich fand, über ihren Mann zu sprechen.
    Als wir uns verabschiedeten, nach einer viel längeren Zeit, als ich es anfangs für möglich gehalten hätte, standen wir einen Moment ratlos voreinander.
    Sie sagte: ›Na, dann sehen wir uns ja morgen Abend schon wieder!‹
    Ich sagte: ›Ich freu mich drauf!‹ und hatte diesmal nicht das Gefühl zu lügen.
    Und wir umarmten uns.
    Als seien wir tatsächlich Freundinnen, die sich wiedergefunden haben, hoben wir beide fast gleichzeitig die Arme und legten sie um die andere.
    Doch dann passierte es.
    Es war ein seltsames Gefühl, und gleich darauf wusste ich schon nicht mehr, ob es tatsächlich so gewesen war oder ob ich es mir nur eingebildet hatte.
    Unsere Umarmung war nämlich so ganz und gar nicht die von zwei Freundinnen, die sich wiedergefunden haben.
    Es war eigentlich überhaupt keine Freundinnenumarmung. Sie war viel zu kurz, viel zu sacht, viel zu vorsichtig.
    Natürlich war das nur verständlich nach all den Jahren, in denen wir nichts von einander gehört hatten, versuchte ich es mir zu erklären. Warum nur tauchte direkt danach vor meinem inneren Auge Fraukes Gesicht auf?
    Am nächsten Morgen sitze ich beim Frühstück und in die Wohnungsanzeigen vertieft am Küchentisch und kann nichts dagegen unternehmen, dass hin und wieder in meinem Kopf Bilder des gestrigen Abends aufflackern.
    Ich wette, Hannelore wird mich gleich anrufen und dann jedes Detail der ominösen Wiederbegegnung zwischen meiner Teenagerfeindin und mir wissen wollen.
    Sie hatte gestern noch eine ganze Weile an ihrem Königinnentisch mitten im Raum residiert, Besuch aus allen Richtungen empfangen und offenbar einen vergnüglichen Abend verlebt. Hin und wieder war ich ihrem hellen, amüsierten Blick begegnet und hatte darin die Neugier blitzen sehen.
    Kaum habe ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, klingelt das Telefon.
    Grinsend gehe ich in den Flur, nehme den Hörer von der Gabel und melde mich, während ich in die Küche zurückgehe.
    Zuerst höre ich gar nichts.
    Dann höre ich etwas, das wie ein Nasehochziehen klingt.
    »Hallo?«, wiederhole ich.
    »Hi«, schnieft es am anderen Ende der elektronischen Leitung. »Ich wollt mal hören, ob du heute ne Wohnung hast und mich mitnimmst.«
    »Armin? Was ist los mit dir? Hast du dir eine fette Frühlingsgrippe gefangen? Falls ja, solltest du besser im Bett bleiben, statt durch fremde Reviere zu ziehen und alle armen Menschen auf deinem Weg dem

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