Emmas Story
nicht.
Zwischendurch kommentiert Frauke meine Ausführungen mit »Nein! Im Ernst?« oder »Ist ja irre!«
Wenn ich mir selbst so zuhöre, könnte ich glauben, dass ich meine aus den Teenagerjahren mitgeschleppte Abneigung gegen Lu durch den gemeinsamen Abend komplett revidiert hätte und nunmehr regelrecht froh sei, sie erneut in meinem Leben willkommen zu heißen.
Frauke sieht dementsprechend beeindruckt aus, als ich mich von ihrem Ohr zurückziehe und sie achselzuckend (›Das Leben kann schon verrückt sein, nicht wahr?‹) ansehe.
»Und Lu ist auch lesbisch? Das ist ja ein irrer Zufall«, ruft Frauke mir mit immer noch vor Verwunderung gerundeten Augen zu.
Ich schüttele den Kopf.
»Verheiratet.«
Frauke nickt, und ich kann von ihren Lippen ein ›Ach, so …‹ ablesen, das allerdings kombiniert ist mit einem leicht verwirrten Ausdruck.
»Oh, da hinten steht sie übrigens, direkt neben der Säule an der Theke. Die mit dem dunklen Bubikopf und dem orangefarbenen Shirt, siehst du?«
Frauke sieht neugierig hinüber.
»Das ist Lu?«, fragt sie dann verblüfft und starrt Lu unverhohlen an.
Ich will Frauke gerade darauf hinweisen, dass Lu früher einen siebten Sinn dafür hatte, wenn sie angestarrt wurde, da wendet die Fixierte auch schon den Kopf, sieht her und winkt uns vergnügt zu.
Frauke hebt verlegen die Hand und winkt zurück.
Ich kann sehen, wie eine leichte Röte von ihren Ohren nach vorn bis zu ihrer süßen Nasenspitze wandert.
»Ja, das ist Lu«, seufze ich.
Frauke zwingt sich, nicht wieder hinzusehen. »Das haut mich jetzt irgendwie um, weißt du«, sagt sie laut und fächelt sich mit der einen Hand Luft zu. »Ich dachte eigentlich, sie sei irgendwie … irgendwie anders.«
»Anders?«, wiederhole ich.
Frauke windet sich. »Na ja, so wie du von ihr erzählt hast, dachte ich, sie ist … hässlich. Blöd. Irgendwie nicht so, wie sie jetzt da vorn steht, jedenfalls.«
Na, toll! Offensichtlich findet Frauke Lu attraktiv, vielleicht sogar anziehend. Das hat mir gerade noch gefehlt.
Wie um dem Moment noch den letzten deprimierenden Schliff zu geben, taucht von der Seite her Antonie auf und greift mit der einen Hand nach Fraukes Arm.
»Hallo, Emma, wie geht’s?«, begrüßt sie mich freundlich und reicht mir die andere.
Ich beteuere, dass es mir wunderbar gehe und ich den Abend bereits in vollen Zügen genieße.
»Fein!«, freut sich Antonie und erzählt Frauke und mir, wen sie gerade getroffen hat und worüber sie gesprochen haben.
Ich bekomme nur in Fetzen mit, worum es geht, aber das ist auch nicht wichtig. Im Grunde interessiert es mich ja auch nicht. Und Antonie wendet sich nur deshalb auch an mich, um nicht unhöflich zu sein.
Sie ist mir gegenüber sowieso stets sehr aufgeschlossen, freundlich und aufmerksam. Keine Außenstehende würde erkennen, dass wir mal potenzielle Konkurrentinnen gewesen sind. Das finde ich eine bemerkenswerte Leistung von ihr.
Ich an Antonies Stelle würde jeder Frau, die meiner Partnerin nach einer missglückten Geschichte noch nachhängt, die Augen auskratzen.
Aber das hat Antonie anscheinend nicht nötig.
Ich glaube auch nicht, dass ihr Selbstbewusstsein vorgetäuscht ist. Ich denke, dass sie sich Fraukes Liebe wirklich ganz sicher ist und daher keinerlei Hennenkampf nötig hat.
Beneidenswert.
Nach ein paar Minuten hat Lu es endlich bis zur Barfrau geschafft und taucht tänzelnd wieder auf, unsere Getränke über dem Kopf balancierend. Die umstehenden Frauen weichen ihr mit ängstlichen Blicken auf die zu erwartende Flut von dort oben aus. Doch Lu selbst scheint die Beunruhigung, die sie verbreitet gar nicht wahrzunehmen, sondern strahlt mich an.
Sie hält nicht nur die gewünschte Cola, sondern auch zwei Sektgläser in den Händen, von denen sie mir eines anbietet.
»Ich finde, wir sollten auf unser Wiedersehen auch ranstoßen.«
»Anstoßen«, murmele ich. Aber es geht in der Musik unter. »Das hier sind übrigens Frauke und Antonie.«
»Hallo!«, ruft Lu fröhlich und reicht den beiden enthusiastisch die Hand. Sie schaut Frauke einen Augenblick lang so intensiv an, dass mir sofort klar ist, dass jetzt nur etwas Peinliches folgen kann. Leider steht es nicht in meiner Macht, das zu verhindern. Und richtig, da kommt es schon: »Frauke? Du hast doch die netten Grüße ausrichten lassen? Sieh einer an. Und schon tauchen wir hier auf. Du kannst dich wirklich nicht beschweren über unsere Zuverlässigkeit im Wünsche erfüllen, oder? Kaum gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher