Emmas Story
Geistern verlassen? Wie kann ich dieses heikle Thema ausgerechnet jetzt und hier anschneiden?
Wahrscheinlich hat sie mich durch ihre Bemerkung einfach provoziert.
Lu lächelt geheimnisvoll, zuckt die Achseln und sagt: »Ich hol uns mal was zu trinken. Was möchtest du?«
»Cola«, antworte ich perplex.
Sie reagiert gar nicht! Sie sagt nichts. Sie guckt nicht grimmig. Sie tut so, als sei meine siebzehnjährige Abfuhr ein Kavaliersdelikt.
»Übrigens toll, dass du auf mir gehört hast!«, brüllt Lu, und ihre Augen glühen wie zwei Kohlebecken.
»Mich«, korrigiere ich automatisch.
»Meinetwegen«, erwidert sie gutmütig.
»Was genau meinst du denn? Wobei habe ich auf dich gehört?«
»Du trägst Blau. Ich hab dir doch gesagt, dass dir das super steht, oder?« Sie wendet sich um, grinst noch einmal frech über die Schulter und schiebt sich durch die Menge davon.
Unverschämt.
Etwas anderes fällt mir dazu nicht ein.
Wie kann eine nur derart von sich eingenommen sein?!
Als ob ich nach fünfzehn Jahren totalem Linksliegenlassen plötzlich eine derartig hohe Meinung davon hätte, was Lu an mir schön oder nicht schön findet, dass sie mich tatsächlich in meiner Kleiderwahl beeinflussen könnte!
›Ich weiß schon lange, dass Blau mir gut steht!‹, will ich ihr hinterher schreien. ›Armin hat das nämlich auch gesagt. Abgesehen davon steht mir alles gut, weil ich nämlich schön bin! Und außerdem hab ich das nur angezogen, damit Frauke mich die ganze Zeit bewundernd anstarren muss!‹
Natürlich rufe ich nichts davon über die Köpfe von etlichen Frauen hinweg, sondern klappe meinen vor Empörung aufgesperrten Mund lieber wieder zu.
Genau im richtigen Augenblick, denn eine Sekunde später erscheint ein Gesicht in meinem Blickfeld, dem ich nicht gern mit aufgesperrtem Kiefer begegnen möchte.
»Hi, Emma.« Ich lese Fraukes Worte eher von ihren Lippen ab, als dass ich sie verstehen würde. Sie ist ein stiller Typ, genau wie ich. Und genau wie ich neigt sie nicht dazu, in der Gegend herumzubrüllen.
Wir veranstalten unseren üblichen Umarmungstanz und stehen dann mit der üblichen Das-wäre-überstanden-Erleichterung nebeneinander an der Tanzfläche.
»Wo ist denn Antonie?«, kann ich nicht lassen, mich höflich interessiert zu erkundigen.
Normalerweise tauchen die beiden immer eng aneinander geschmiegt auf. Wo Frauke ist, da ist auch ihre Freundin. Wahrscheinlich auch umgekehrt. Und so durchflutet mich für einen Augenblick die ausgesprochen egoistische Hoffnung, Antonie könne womöglich nach Kuba verzogen oder doch zumindest mit einem leichten Bandscheibenvorfall daheim im Bett liegen.
Doch Frauke deutet mit einer Handbewegung hinter sich und grinst, was wohl heißen soll, dass ihre Freundin auf dem Weg hierher irgendwo bei Bekannten hängen geblieben ist.
»Hat Hannelore dir meinen Gruß also ausgerichtet?«, will sie wissen und nickt grüßend einer Frau mit hüftlangen weinroten Haaren zu, die von der Tanzfläche herüberwinkt.
›Ja‹, denke ich. ›Ja, hat sie. Und ich habe natürlich nichts Eiligeres zu tun, als hierher zu rennen und auch noch zu hoffen, dass du allein hier bist.‹
»Ja«, sage ich und spähe durch die Menge, als würde sich irgendwo da drüben eine Szene abspielen, die mich interessiert. »Und es passte mir ganz wunderbar. Ich wollte sowieso mit Lu herkommen.«
Moment mal!
Was habe ich da gerade gesagt?
Auch Frauke zieht verblüfft ihre Augenbrauen hoch. »Lu?«, brüllt sie mir ins Ohr. »Du hast dich doch nicht etwa doch nochmal mit ihr getroffen? Du wolltest dich doch nie wieder bei ihr melden.«
»Nein, echt nicht!«, schreie ich zurück, und Frauke zuckt zusammen. Etwas gemäßigter fahre ich fort: »Es ist was passiert, was man wirklich nur als Wiederfinden-einer-Nadel-im-Heuhaufen bezeichnen kann. Erinnerst du dich an die Kontaktanzeige, die du bei mir auf dem Küchentisch hast liegen sehen?«
Frauke nickt. Und dann erzähle ich ihr alles, was seitdem geschehen ist.
Meine knappe Antwort auf die Anzeige. Die brennende Reue, die mich ergriff, sobald ich den Brief eingeworfen hatte. Mein pflichtschuldiges Auflaufen im Yellow. Die erneute, scheinbar zufällige Begegnung mit Lu. Und dann die Erkenntnis, dass sie diejenige welche sein musste. Der Verlauf des Abends. Hannelores Auftauchen und ihr reizender Vorschlag, gemeinsam auf den Schwoof zu gehen.
Die Tatsache, dass ich von dieser Idee zunächst alles andere als begeistert war, erwähne ich allerdings
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