Emmas Story
bei der Doktorarbeit.
Ich denke an Hannelores hübsches neues Abendkleid.
Ich denke an das neue Video von Madonna.
Ich denke an schöne Frauen.
Ich denke an die wunderbare Frau neben mir.
»Woran denkst du?«, fragt Frauke mich unvermittelt.
»Bist du nie eifersüchtig?«, höre ich mich sagen.
Frauke stutzt und sieht mich verwundert an. Dann huscht ihr Blick – nur kurz, nur für einen Minimoment – hinüber zu Antonie, die gerade Lu an der Hüfte greift und in einer Drehung herumwirbelt. Lu lacht laut auf und lässt ihren Bubikopf schwingen.
Frauke sieht mich wieder an.
»Nein«, sagt sie.
Bilde ich mir das nur ein, oder hat sie während dieses einen Wortes kurz geblinzelt?
»Versteh mich bloß nicht falsch«, sage ich. »Nicht, dass ich denke, dass du Grund dazu hättest. Es ist nur so, dass ich selbst, fürchte ich, ziemlich eifersüchtig bin. Ich beneide immer die Paare, die ganz gelassen und ruhig mit neuen Bekanntschaften umgehen können und sich so sehr vertrauen, dass sie gar nicht auf krumme Gedanken kommen. Toll.«
Ich merke, wie meine Worte immer mehr an Kraft und Deutlichkeit verlieren und schließlich im Hämmern der Musik untergehen.
Frauke betrachtet mich interessiert.
»Du bist also extrem eifersüchtig?«, wiederholt sie forschend. Ihr Blick scannt dabei über mein Gesicht. »Wieso um Himmels willen? Ich meine, wenn man so aussieht wie du …«
Typisch. Das höre ich immer. Als ob schöne Menschen automatisch auch so sehr faszinieren und fesseln würden, dass sie nie verlassen werden.
Pustekuchen!
»Auch dann kann man übertriebene Verlustängste entwickeln«, erwidere ich ausweichend.
»Oder einen Minderwertigkeitskomplex?«, schlägt Frauke vorsichtig vor.
Oder den Impuls, wundervollen Frauen eine saftige Ohrfeige zu geben?
Ich ziehe eine Grimasse.
»Können wir nicht über was anderes reden?«
»Du hast mit dem Thema angefangen«, erinnert Frauke mich. »Aber meinetwegen. Lass uns doch mal rübergehen in den anderen Tanzraum. Ich will mal sehen, ob Michelin hier herumstromert.«
Wir setzen uns also in Bewegung Richtung second dancefloor.
Mir entgeht aber nicht, dass Frauke sich noch einmal umdreht und einen Blick zu Antonie und Lu hinüberwirft.
Für eine kleine Weile ist es so, wie ich es mir gewünscht habe: Antonie ist mit der neuen Bekanntschaft beschäftigt, und Frauke widmet sich ganz mir. Wir tanzen miteinander, lachen und scherzen, sagen hin und wieder ›Hallo‹ zu alten Bekannten.
Aber natürlich kann diese Illusion nicht lange währen.
Irgendwann stöbern uns Lu und Antonie auf, schleppen Getränke ran, plappern und entziehen mir Fraukes Aufmerksamkeit komplett. Vor allem Antonie ist es natürlich, die Frauke derart okkupiert. Und auch noch mit Recht, wie ich griesgrämig eingestehen muss.
›Die beiden sind ein Paar, Emma!‹, sage ich mir zum wiederholten Male selbst. ›Und sie sind heute Abend zusammen hier. Kein Wunder, dass sie sich sehr oft miteinander beschäftigen.‹
Nun, Lu und ich sind auch gemeinsam hier.
Nicht, dass ich darauf Wert legen würde, gerade mit ihr eine Schwoof-Gemeinschaft zu bilden. Doch wenn ich mir die Sachlage genauer betrachte, dann hatten wir uns tatsächlich verabredet. Nur ist sie offensichtlich an meiner Gesellschaft doch nicht so brennend interessiert, wie ich vielleicht vermutet hätte. Falls ich mir vorher Gedanken darüber gemacht hätte. Was ich natürlich nicht getan habe.
Lu wendet sich zwar hin und wieder an mich. Aber sie unterhält sich auch blendend mit Fraukes Arbeitskollegin Michelin und deren Partnerin Angela. Oder sie wird wieder einmal von Antonie angesprochen. Oder sie schwirrt – wie jetzt gerade – völlig allein auf die Tanzfläche, weil ein Lied sie dorthin reißt.
Ich bin mit einer hier, die ich seit vielen, vielen Jahren – meine Güte, ich darf gar nicht daran denken, wie viele es sind! – kenne. Na ja, im Grunde sind wir nicht wirklich zusammen hier. Wir haben uns hier getroffen, vage verabredet. Und das Ganze von meiner Seite aus nur aus reiner Höflichkeit, gegen meinen tatsächlichen Willen, nur wegen Hannelores wenig freundschaftlichem Vorschlag. Aber wie ich es auch drehe und wende: Nicht Lu ist das Anhängsel, das, mit dem bisher wohlweislich übergangenen Ehering am Finger, als Fremdkörper zwischen lauter sich vertrauten Frauen steht. Nicht sie ist allein unter vielen. Ich schaue zu ihr hin, wie sie sich auf der Tanzfläche bewegt, die Arme um ihren Körper schwingen lässt, ein
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