Emmas Story
»Ach, ich wette, ich bin einfach viel zu verwöhnt. Sonst war es halt immer so, dass sie auch nicht mehr wollte, wenn ich nicht mitging. Sie ist dann eben bei mir geblieben. Wir haben den Abend einfach so miteinander verbracht. Oder wir sind ins Kino gegangen. Oder haben uns mit Michelin und Angela getroffen. Oder mit Lothar und Sandra. Ich bin’s wohl einfach nicht gewöhnt, dass sie dann tatsächlich ohne mich geht.«
Ich lache leise, um sie vollends zu überzeugen. »Ist gar nicht so einfach, wieder loszulassen, wenn man eine Weile so eng aneinander geklebt hat, nicht? Aber weißt du was? Ich finde das völlig normal.«
»Echt?«
»Ja, sicher! Nach der ersten Hochverliebtenzeit habt ihr euch jetzt eben ein bisschen beruhigt und nehmt auch eure eigenen Leben wieder auf – nicht nur das zu zweit, verstehst du? Zu diesen eigenen Leben gehört natürlich auch, Freundschaften zu knüpfen, wenn einem sympathische Menschen begegnen.«
Na, super! Jetzt zitiere ich schon Lu, wenn es um Herzensangelegenheiten geht. Etwas anderes wäre mir jetzt einfach nicht eingefallen.
Ich lausche meinen eigenen Sätzen nach.
Der scharfe Dorn ist hinuntergefallen auf den Teppich, wo er verdorren wird – falls Loulou ihn nicht vorher findet und kurzerhand verschluckt, weil sie einfach alles frisst, was herumliegt.
Meine Sätze waren nicht die einer Enttäuscht-Liebenden, die sich gern endlich ins rechte Licht rücken möchte – wie Armin es genannt hat. Es waren die Formulierungen einer Freundin. Die sich Sorgen macht um das Seelenheil, die beruhigen will und die der Feind aller aggressiven Gewächse im Inneren ist, die auch nur im Entferntesten den Namen Eifersucht tragen könnten.
Worte einer Freundin. An Frauke.
Dies wäre ein guter Moment, um einmal im Leben fassungslos den Kopf zu schütteln. Das kommt allerdings nicht infrage, solange Frauke mich dankbar ansieht, so wie jetzt.
»So habe ich das noch gar nicht gesehen«, sagt sie und räuspert sich knapp. »Und irgendwie bedeutet es mir auch viel, dass du das so siehst. Ich dachte eher, du würdest glauben, dass ich Grund hätte, um … Irgendwie dachte ich das, weil du mich auf dem Schwoof danach gefragt hast.«
»Ach, Mensch«, murmele ich. »Damit wollte ich dich doch nicht beunruhigen.« Und es fühlt sich so an, als sei es tatsächlich die Wahrheit.
»Hast du auch nicht. Ich meine, die Frage lag ja wirklich nahe«, beteuert Frauke rasch. »Aber deine Erklärung jetzt liegt genauso nahe. Ich glaube, ich habe einfach ein paar Gespenster gesehen. Vielleicht ist auch das völlig normal, nicht?«
Ihre Bitte, ich möge diese Vermutung bejahen, steht ihr so deutlich ins Gesicht geschrieben, dass ich gar nicht anders kann, als beruhigend lächelnd zu nicken.
Tatsache ist: Wenn Antonie meine Freundin wäre, hätte sie wahrscheinlich schon nach der Situation im Bahnhof neulich eine kleine Szene von mir hingelegt bekommen. Obwohl doch alles – rein objektiv betrachtet – völlig unverfänglich war. Und am heutigen Abend wäre ich spätestens jetzt, kurz nach eins in der Nacht, mit den Nerven und dem Vertrauen in meine Partnerin derart am Ende, dass ich wahrscheinlich aufgebrezelt wie die Rachegöttin selbst auf der Party auftauchen würde.
Ehrlich gesagt, kann ich es kaum nachvollziehen, wie Frauke sich nun – nachdem eine gute Freundin ihr ein paar läppische Beruhigungen ins Ohr gesäuselt hat – derart entspannen kann und bereits wieder erleichtert lächelt.
»Du hast ganz sicher Recht«, murmelt sie gerade, während ihre Augenlider ein wenig nach unten rutschen. »Auf Antonie ist hundertprozentig Verlass. Und schließlich kennst du Lu ja auch schon ein halbes Leben lang. Wenn du sagst, dass ich mir keine Gedanken zu machen brauche, dann stimmt das ganz sicher.«
Ehm. Ganz so hatte ich das nun auch wieder nicht ausgedrückt.
Aber ich schätze mal, dass eine Richtigstellung im Hinblick darauf, was ich tatsächlich gesagt und sie selbst in Folge daraus gehört zu haben scheint, jetzt nicht angebracht wäre. Also halte ich den Mund und kann dabei zusehen, wie Frauke langsam entspannt in sich zusammensinkt.
»Ich denk, ich werde mich jetzt mal auf den Weg machen«, brummelt sie, während sie sich noch ein wenig tiefer in die Wolldecke schmiegt.
Etwa eine Minute später ist sie fest eingeschlafen.
Loulou beginnt neben dem Sofa leise zu schnarchen.
Jetzt kann ich es doch tun: Ich schüttele den Kopf. Fassungslos.
9. Kapitel
»Computer-Fritze Karl Hannemann ist
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