Emmas Story
wieder herausgepressten »Aha!« oder »Ach?« oder »Au, weia!«, was meine Nervosität nicht gerade lindert.
»Eine Frage«, sagt er nach etwa zwanzig Minuten, als ich schon mit den Nerven ziemlich am Ende bin. »Nachdem Sie gemerkt haben, dass Ihre Disketten fehlerhaft waren, haben Sie Ihre Daten da irgendwo anders gesichert?«
Ich halte ihm stumm die CD s hin, die Lu auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen.
Karl Hannemann packt aus seinem großen Computer-Fritzen-Koffer ein kleines Notebook, das ich dort niemals vermutet hätte.
Dann legt er nacheinander jede der CD s ein und kontrolliert sie. Wahrscheinlich darauf, ob sie mit Flöhen und Läusen infiziert sind. Oder ob ich mich an die neue Rechtschreibung gehalten habe.
Wenn er nicht bald sagt, was mit meinen kostbaren Unterlagen passiert ist, werde ich mir die Haare einzeln rausreißen und am Ende so aussehen wie er selbst – zumindest auf dem Kopf.
»Haben Sie diese Rettungsaktion gestartet?«, will er wissen, während sein Blick angestrengt an dem Monitor seines taschenrechnergroßen Computers klebt. Ich habe schweißnasse Hände.
»Nein«, antworte ich. »Eine … Bekannte.« Fast hätte ich Freundin gesagt. Aber irgendwie dann doch nicht. Sind Lu und ich Freundinnen? Rechtfertigen neun Jahre Nachbarschaft, ein paar Wochen Wiederbegegnung und ein nachträgliches Liebesgeständnis diesen Begriff?
»Hat sie ’n Job?«, nuschelt der Herr Hannemann und nimmt auch die letzte CD heraus.
»Bitte?«
»Ihre Bekannte, hat die ’ne Arbeit?«
Ich blinzele verwirrt. »Ja. Ja, sicher.« Und vergesse ›Wieso?‹ zu fragen. Aber er antwortet trotzdem. »Schade«, sagt er. »Ich würd’ sie einstellen. Solche Köpfchen kann ich brauchen. Ohne diese Sicherung hier, also, da wär’ nicht mehr viel übrig von ihrer Arbeit, das kann ich Ihnen aber sagen.«
Mir wird heiß und kalt zugleich.
»Sie meinen, mein Rechner kann die Dateien, meine Doktorarbeit und die ganzen Massen von Recherche-Unterlagen nicht mehr komplett anzeigen? Meinen Sie das?«
Karl Hannemann gluckst vergnügt. »Ne, das mein ich nicht. Ich mein, dass von Ihrem Rechner nichts mehr übrig ist, gute Frau. Der ist leer.«
»Leer?«
»Ja, da ist nicht mal mehr das simpelste Programm drauf. Geschweige denn ein Dokument.«
Oh, Gott!
»Und Sie denken, wenn meine Freundin … ehm, meine Bekannte, also, wenn die nicht noch rechtzeitig diese CD s gezogen hätte, dann wäre es zu spät gewesen?«
»Tja, wie heißt es doch immer so schön in den Krimis, die meine Frau ständig liest: Sie war wohl die Letzte, die das Opfer lebend gesehen hat.«
Die restliche Zeit seines Besuches verbringe ich in einer Art Schockzustand.
Fortwährend frage ich mich immer wieder die gleichen Dinge. Erstens: Wie konnte ich so taktlos und mies sein, ihr diesen Spruch mit dem mir und dem mich reinzudrücken? Zweitens: Wieso habe ich mich nicht einmal richtig bei ihr bedankt? Drittens: Aus welchem Grund habe ich sie schließlich dann regelrecht hinausgeworfen? Viertens und Wichtigstens: Wie kann ich das alles je wieder gutmachen?
Wie soll ich Lu jemals wieder unter die Augen treten können?
Als Karl Hannemann gegangen ist, mit dem Auftrag zu einer komplett neuen Installation des Rechners für kommenden Dienstag in der Tasche, ist mir sonnenklar: Ich muss mich bei Lu entschuldigen!
Und zwar rasend schnell!
Ich muss ihr sagen, wie Leid es mir tut, dass ich mich benommen habe wie die Axt im Walde.
Also rufe ich sie an.
Aber sie ist nicht daheim. Obwohl es Freitag ist und bereits kurz nach drei, ist sie nicht zu Hause.
Wahrscheinlich sieht ihre Arbeitszeit in der Gärtnerei – sei die Arbeit dort noch so erfüllend – doch ein bisschen anders aus als meine an der Uni.
Zumindest ein klitzekleines, selbstgefälliges Grinsen kann ich an dieser Stelle nicht unterdrücken.
Ich spreche ein paar unverfängliche Grüße an Jojo, Kasper und Belle aufs Band und lege wieder auf.
Dann versuche ich es eben in zwei Stunden noch mal.
* * *
Wie lang zwei Stunden werden können, war mir vor diesem Nachmittag auch noch nicht wirklich klar.
Sie sind so lang, dass ich in ihnen dreimal die Version meiner Entschuldigung umwerfe. Und sie erstrecken sich plötzlich in Richtung Unendlichkeit, als ich erfahre, dass Lu auch um fünf noch nicht zu Hause ist.
Vielleicht erst um sieben?
Ach, nein, um sieben offenbar auch noch nicht. Sie ist wahrscheinlich noch mit den Hunden unterwegs.
Aber um halb acht, da müsste sie doch
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